Richard III. litt an Spulwürmern
Es war ein spektakulärer Fund, als Archäologen die Knochen des englischen Königs Richard III. ausgruben. Jetzt belegen Bodenproben vom Fundort: Majestät litten an Spulwürmern. Doch ein sicheres Symptom wusste man damals noch nicht zu deuten.Wer König Richard III. zu Lebzeiten kannte, bemerkte vielleicht ein gelegentliches Husten. Kein besorgniserregendes Keuchen oder Rasseln, sondern lediglich dieses typische Räuspern, wie es durch ein leichtes Kitzeln im Hals verursacht wird. Einmal den Schleim hochholen, runterschlucken, fertig. Ernsthaft krank war der König nicht. Was ihn da im Hals kitzelte, waren Larven des Spulwurms (Ascaris lumbricoides).
Den royalen Wurmbefall stellte ein Forscherteam um den Anthropologen Piers Mitchell von der University of Cambridge fest. Dazu entnahmen sie bei der Ausgrabung im vergangenen Jahr drei Bodenproben: eine aus dem Bereich, an dem das Gedärm des Königs gelegen hatte, eine aus dem Bereich des Schädels und eine dritte von außerhalb der Grabgrube. Die Probe aus dem Beckenbereich Richards war voller Spulwurmeier, berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des britischen Medizinjournals "The Lancet".
Die Probe aus dem Schädelbereich war dagegen wurmfrei und in der Erde außerhalb des Grabes fanden sie nur einige wenige Eier. So konnten sie ausschließen, dass der gesamte Bereich flächendeckend betroffen war - etwa weil dort zu einer Zeit Fäkalien entsorgt wurden.
Richard III. kannte Auslöser nicht
Ob Richard selber von dem Wurmbefall wusste, ist gar nicht gewiss. "Heutzutage verläuft der Befall mit Spulwürmern meist asymptomatisch", erklärt Mitchell. "Aber Spulwürmer verbringen einen Teil ihrer Entwicklung in den menschlichen Lungen. Sie können dort einen Reizhusten auslösen, wenn sie von den Atemwegen in den Hals wandern. Von dort werden sie geschluckt und gelangen so zurück in den Darm."
Selbst wenn Richard sich über seinen Husten wunderte, wird er den Grund dafür nicht gekannt haben. "Über die etwa 30 Zentimeter langen Würmer wundern Menschen sich nur manchmal, wenn sie diese beim Toilettengang entdecken", schreibt Mitchell. Im Mittelalter erkannte man sie allerdings nicht als Parasiten, sondern hielt sie gemäß der Lehre des Hippokrates für Zeichen eines Ungleichgewichts der vier Körpersäfte.
Die Würmer, glaubte man, würde der Körper produzieren, wenn mehr Schleim als Blut, schwarze und gelbe Galle vorhanden sei. Wenn Richards Ärzte von seinen Würmern wussten, hatten sie eine ganze Palette an Behandlungsmethoden parat: "Sie würden versucht haben, überflüssigen Schleim mit einer Ernährungsumstellung und Aderlässen zu behandeln und die Säfte zu erwärmen und zu trocknen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen."
Heute noch Millionen betroffen
Mit seinen Spulwürmern war Richard nicht allein. So war beispielsweise unter den Kreuzfahrern des Mittelalters Parasitenbefall gang und gäbe - und das nicht nur von Spulwürmern, sondern auch noch von allen möglichen weiteren garstigen Tieren. Selbst heute noch tragen schätzungsweise 22 Prozent der Weltbevölkerung Spulwürmer im Gedärm. Für Kinder kann das durchaus gefährlich werden. "In Kombination mit schlechter Ernährung kann der Befall dann zu Mangelerscheinungen, verringertem Wachstum und geminderter Intelligenz führen", warnt Mitchell. "Aber da Richard ja ein Adliger mit guter Ernährung war, ist es eher unwahrscheinlich, dass er an Mangelerscheinungen litt."
Wie gehoben seine Ernährung tatsächlich war, konnten die Wissenschaftler ebenfalls aus den Bodenproben ablesen. Außer den Spulwurmeiern fanden sie nämlich keine weiteren Parasiten in den Proben. "Wir erwarten, dass die Adligen jener Zeit Fleisch von Rindern, Schweinen und Fische verzehrt haben", schreiben sie in ihrem Aufsatz, "aber es gab keine Anzeichen von Rinder-, Schweine- oder Fischbandwürmern." Das könnte bedeuten, dass die Köche alles Essen sehr gut durchgarten, bevor sie es auf die königliche Tafel auftrugen - und die Würmer beim Garvorgang abstarben.
Die Würmer brachten ihm also nicht den Tod. Den fand er auf dem Schlachtfeld: Richard war der letzte britische König, der tatsächlich im Kampf fiel. Der letzte Herrscher der Plantagenet-Linie wurde im Jahr 1485 in der Schlacht von Bosworth getötet. Anschließend schändeten die Anhänger des neuen Königs Heinrichs VII. seinen Leichnam, stellten ihn öffentlich in einem Wirtshaus aus und warfen ihn am Ende in eine Grube auf dem Gelände des Franziskanerklosters von Leicester. Archäologen fanden die Knochen im vergangenen Jahr. Im Februar dieses Jahres erbrachte eine DNA Analyse dann den sicheren Nachweis, dass es sich tatsächlich um die Gebeine Richards handelt.