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Erfahrungen aus dem Ackerprojekt (Gelesen: 24090 mal)
Æthelweard
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Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
13.11.11 um 16:33:11
 
In diesem Thread will ich die Erfahrungen niederschreiben, die ich beim Ackerprojekt gemacht habe. Schließlich soll das Projekt auch ein wenig dem Erkenntnisgewinn dienen. Es sind meine Gedanken zu verschiedenen Aspekten des Projekts (z.B. Vorgehensweise, eingesetzte Werkzeuge, usw), die gerne kommentiert, ergänzt oder diskutiert werden dürfen.

Wer eigene Erfahrungen gemacht hat und Lust hat, die zu Verewigen, kann das hier natürlich gerne tun.
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"Wenn man nur noch über das urteilen darf, wo man selbst gelebt hat...also...für Historiker wird's eng." Dieter Nuhr
 
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Æthelweard
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #1 - 13.11.11 um 16:37:41
 
Ich fange mit der Kleidung an. Das sie entsprechend geschnitten sein sollte, damit man in ihr arbeiten kann, ist klar. Das bedeutet, die nötige Bewegungsfreiheit sollte gegeben sein. Außerdem sollte die Kleidung an die Witterung angepasst sein. Beim Arbeiten kommt man ins Schwitzen und besonders im Freien birgt das Gefahren, wie ich feststellen mußte. (Gesundheit!)

Die Bedienung von Hacke, Spaten und vor allem der Sense braucht einiges an Arm- und Beinfreiheit. Das gilt in dem Ausmaß nicht für alle Feldarbeiten. Interessant finde ich den Vergleich mit Bildquellen. Da werden Menschen auch in langen Gewändern bei der Arbeit gezeigt.

...
(Hunterin Psalter, ca 1170)

...
(Shaftesbury Psalter, 12. Jahrhundert)

Nachdem ich speziell nach Bildern von Menschen bei der Feldarbeit gesucht habe, ist mir aufgefallen, daß die langen Gewänder vor allem bei Arbeiten wie der Ernte mit der Handsichel oder dem Säen auftauchen. Auch ein Bild von einer Person in bestickter Kleidung habe ich gefunden.

Wo schwere Arbeit mit Werkzeug wie Axt, Hacke und Spaten gezeigt wird scheinen mir die Gewänder kürzer zu sein.

Vielleicht sind die mittelalterlichen Darstellungen doch realistischer, als ich bisher gedacht habe. Aber das ist jetzt wohl zu verallgemeinernd und sicherlich gibt es Gegenbeispiele.


Nachdem ich genug Gegenbeispiele gefunden habe, will ich diese Passage korrigieren. Folgend zwei Beispiele aus dem Hunterian Psalter, wo Werkzeuge in langen Gewändern benutzt werden. Bei dem ersten Bild hätte ich Angst, mir auf den Saum zu treten.

...

...

Dann finden sich aber auch Bilder, die eindeutig hochgeraffte Kleidung zeigen, bzw das Kleidung abgelegt wird. So wie bei dem Mann ganz Links im Bild.

...
(Speculum Virginium, um 1190)

Auch bei dem folgenden Bild scheinen mir die Beine nackt zu sein, aber der Kopf ist vor der Witterung geschützt. Er trägt eine Gugel, also ein Kleidungsstück das man vor allem tragt, um sich vor Kälte zu schützen. Man kann also davon ausgehen, daß er die Hosen abgelegt hat, damit sie nicht schmutzig werden und nicht, weil sie bei der Arbeit zu warm sind.

...
(Fecamp Psalter, 1180)
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« Zuletzt geändert: 14.11.11 um 21:09:01 von Æthelweard »  

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Æthelweard
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #2 - 13.11.11 um 16:43:49
 
Geht man davon aus, daß Kleidung im 12. Jahrhundert einen nicht unerheblichen Wert hatte, macht es durchaus Sinn, die Kleidung zu raffen oder gar abzulegen, um sie vor Schmutz zu schützen. Schaue ich mir Olivers Bilder von Michael und mir beim Umgang mit dem Spaten an, sehe ich allerdings nur Dreck an den Schuhen, die Hosenbeine sind nicht in Gefahr.

...

Aber vielleicht war der Boden bisher auch immer noch zu fest und zu trocken. Ich kann mir vorstellen, daß dies bei Matsch schon anders aussieht. Mal sehen, welche Erfahrungen wir da noch machen, wenn wir beim nächsten Mal den Acker komplett umgraben.

Aber auch von oben droht Dreck, wie ich beim Umgang mit der Hacke erfahren habe. Bei jedem Schwung mit der Hacke über dem Kopf rieselt es herab. Bei unserem zweiten Treffen zum gemeinschaftlichen Ackern hatte ich keiene Kopfbedeckung auf und konnte anschließend ganze Moosflechten aus meinen Haaren kämmen. Eine Kopfbedeckung hilft also nicht nur gegen die Witterung, sondern hält auch die Haare aus dem Gesicht und das Haupt sauber.

Ich persönlich fand eine Bundhaube besonders praktisch, mit der ich beim letzten Mal gearbeitet habe. Die rutscht nicht über die Augen und fällt auch nicht vom Kopf, selbst wenn man sich bückt. Auf der ersten Abbildung ist genau so eine Bundhaube zu sehen und zwar auf dem Kopf eines Mannes, der gerade eine Arbeit verrichtet, bei der er sich oft bücken muß. Bundhauben sind eher für das 13. Jahrhundert typisch, tauchen aber meines Wissens im späten 12. bereits auf. Daher würden mich Bildnachweise aus unserer Epoche interessieren. Es wäre vielleicht aufschlussreich, ob sie auch auf anderen Bildern von Männern bei der Arbeit getragen werden.

Im Sommer wäre ein breiter Stroh- oder Binsenhut vermutlich praktischer, weil er den Nacken vor der Sonne schützt. Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Krempe vielleicht stört oder die Sicht einschränkt, wenn er verrutscht. Mein Binsenhut hat jetzt eine Kordel, um ihn festzubinden. Den will ich beim nächsten Treffen ausprobieren.

Aber zurück zur Kleidung. Der droht bei der Arbeit nicht nur Schmutz. Bei unseren Wanderungen haben wir ja festgestellt, wie Kleidung beansprucht werden kann, durch Dornengestrüpp, Kletten, usw. Das gleiche gilt selbstverständlich auch bei der Feldarbeit. Auf dem fertigen Acker gibt es zwar kein Gestrüpp, aber bevor er soweit ist, eine ganze Menge.

Eine der ersten Arbeiten bestand darin, eine Schneise in das Gestrüpp zu schlagen, um unser zukünftiges Feld überhaupt betreten zu können. Bei der Arbeit im hüfthohen Unkraut hatte ich nach wenigen Augenblicken die ersten Dornenranken in den Hosenbeinen stecken. Bis ich fertig war, hatte ich reichlich Stiche und Kratzer in den Beinen. Die Leinenhosen boten keinen Schutz. Die Menschen aus der von uns dargestellten Epoche waren zweifelsfrei deutlich härter im Nehmen, als ich „Sitzarbeiter“. Vielleicht hätte mein zeitgenössisches Gegenstück die Hosen gleich ausgezogen, um sie zu schützen und die Dornen ertragen. Eine bessere Idee erscheinen mir diese gamaschenartigen Beinwickel. Bei unserer ersten Gewanderung hatte ich solche Wickel an, aus richtig fester Wolle in Fischgratwebart. Wie ich damals festgestellt habe, schützen die wirklich gut. Kennt vielleicht jemand Bildquellen, wo solche Wickel bei der Feldarbeit getragen werden?

Auf die Schuhe will ich im Zusammenhang mit dem Spaten eingehen. Daher soll es das zunächst mit Teil eins gewesen sein.

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« Zuletzt geändert: 13.11.11 um 19:04:46 von Ares Hjaldar de Borg »  

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Æthelweard
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #3 - 13.11.11 um 21:35:09
 
Teil zwei ist dem eingesetzen Werkzeug gewidmet.

Bisher steht uns nicht viel an historisch korrektem Werkzeug zur Verfügung, weshalb auch modernenes eingesetzt wurde. Das ist zwar Schade, aber zumindest hat es dazu geführt, daß wir Vergleichsmöglichkeiten haben, die vielleicht auch ganz interessant sind.

Sense

Wie bereits erwähnt, habe ich den Acker erstmal mit einer Sense zugänglich gemacht und einiges an Wildwuchs kurz geschnitten. Als erstes Werkzeug kam dabei eine Sense zum Einsatz, die zwar keine Replikation einer Sense aus dem 12. Jahrhundert war, aber immerhin bestand sie aus einem geraden Holzschaft, zwei Griffen und einem Sensenblatt. Da Bilder bekanntlich mehr sagen, als tausend Worte...
Meine Sense:
...

Zum Vergleich:
...
(Hunterian Psalter, ca 1170)

Und noch ein Link zur Abbildung einer Sense im John Worcester Chronicle (fortgeführt bis 1140):
http://www.lib-art.com/artgallery/14403-chronicle-english-miniaturist.html

Das Sensenblatt war gedengelt und gewetzt worden, seit sie zum letzten Mal benutzt wurde und schnitt zunächst mühelos durch Brennesseln und auch dickere Dornenzweige. Ich hatte nie zuvor eine Sense benutzt und war daher völlig erstaunt, wie gut die Arbeit von der Hand ging. Jedoch hat sich die Sense mit der Zeit immer mehr in den Ranken des Gestrüpps verfangen, das Schneiden wurde schwerer und ich mußte zunehmend mehr reißen. Schließlich brach der Holzstiel.
Danach habe ich eine moderne Sense benutzt. Auch hier war das Blatt nachweislich sehr scharf, hatte aber leider eine tiefe Scharte, die sich immer mehr zu einem Riss ausgeweitet hat, weshalb ich auch mit diesem Werkzeug nicht weiter machen konnte.

Wie sehr Werkzeug beansprucht wird, wenn man ein Feld von Hand rodet, ist die erste Erkenntnis gewesen. Leider ist noch mehr Werkzeug zu Bruch gegangen, und das ein ausgetrockneter, holzwurmzerfressener Stiel nichts taugt, soll auch nicht mein Fazit sein. Ich denke vielmehr, daß ich das falsche Werkzeug bentutzt habe. Zumindest für das dickere Gestrüpp wäre ein Haumesser oder sogar eine Axt besser gewesen.

Hacke

Der nächste Arbeitsgang war das Aufbrechen des Bodens, um die Wurzeln des Gestrüpps zu beseitigen und den Boden zu lockern, damit er umgegraben werden kann. Als Hacke haben wir ein Exemplar zur Verfügung, das der Rundhacke ähnlich ist, die zur Zeit in der Salierausstellung in Speyer zu sehen ist.
Hier ist Werner mit seiner Hacke zu sehen:
...

Laut dem Ausstellungskatalog ist nicht bekannt, ob die Hacke zu Feldarbeit, Straßenbau oder Holzbearbeitung verwendet wurde. Wir verwenden unsere Hacke zur Feldarbeit und dafür eignet sie sich sehr gut. Sie bricht nicht nur die harte Scholle auf, sondern zerhackt auch Wurzelwerk. Solange sie intakt sind, lassen sich Wurzeln selbst mit aller Gewalt kaum aus dem Boden ziehen, weshalb ein Zerkleinern unablässig ist. Aufgrund ihrer Form dringt die Rundhacke jedoch nicht sonderlich tief in den Boden ein. Um an die Wurzelknollen heran zu kommen, bedarf es mit der Rundhacke viel Arbeit. Die moderne Spitzhacke, die wir zum Vergleich eingesetzt haben, dringt deutlich tiefer, ist aber weniger gut geeignet, um die Scholle zu wenden, da sie viel schmaler ist. Wo die Rundhacke ganze Soden heraus löst, hackt die Spitzhacke sie nur auf. Wie sich herausstellte besteht die beste Vorgehensweise darin, den Boden zuerst mit der Spitzhacke und dann mit der Rundhacke zu bearbeiten.

Wen wundert es da, daß es auch schon früher verschiedene Formen von Hacken für verschiedene Arbeiten gab:
...
(Heidelberger Sachsenspiegel, um 1300)

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« Zuletzt geändert: 14.11.11 um 20:56:23 von Æthelweard »  

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Æthelweard
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #4 - 13.11.11 um 21:40:33
 
Spaten

Der Boden soll vor dem Winter umgegraben werden, was wir noch zu erledigen haben. Dennoch kam unser Spaten bereits zum Einsatz, weil einige der Wurzelknollen schlicht ausgegraben werden mußten. Aber auch, weil wir den Spaten einfach mal ausprobieren wollten. Und es hat sich gelohnt, denn kaum hat man das Ding in den Händen, tun sich deutliche Unterschiede zu einem modernen Spaten auf.
Auch hier zur Verdeutlichung ein paar Bilder:
...

...
(Speculum Virginium, um 1190)

Im Gegensatz zum modernen Spaten besteht das gute Stück aus Holz und ist nur mit Eisen beschlagen. Das macht den Spaten deutlich dicker und seine Kante ist nicht so scharf, wie beim neuzeitlichen Werkzeug. Dadurch wird es deutlich schwerer, mit ihm in harten Boden zu stechen. Solange der Boden nicht vorher schon aufgebrochen wurde, hat man mit so einem Spaten keine Chance, die Scholle zu wenden. Bei unserem Projekt, wo wir es mit einem Boden zu tun haben, der ca. 30 Jahre lang nicht bearbeitet wurde, bedeutet das: Erst kommt die Hacke, dann der Spaten. Und selbst dann war das Graben mit dem Spaten noch harte Arbeit. Dieses Bild, bei dem Michael sein ganzes Gewicht dahinter legt, zeigt klar, was ich meine.
...

Michaels anschließenden Kommentar möchte ich hier zitieren:
Zitat:
Also für Wurzellose Erde gehts. Ist halt bissl schwerer in die Erde zu kommen, was mich bei der dicke des Blattes aber nicht wundert. Aber auf die Kante stellen hat wunderbar geklappt. (zumindest solang nicht zu viel Erde zwischen Sohle und Kante war, sonst wurds rutschig).
Insgesamt ist der Spaten faszinierend stabil. Nur wurzeln damit durchtrennen ist tatsächlich nicht drin. dazu ist die Vorderkante einfach nicht scharf genug.
Insgesamt fand ich ihn ziemlich gut zum Arbeiten. Wurzeln muss man halt ausgraben oder anderweitig beseitigen.


Ob der Spaten wirklich rutschig wird, je mehr Erde daran klebt, will ich am nächsten Wochenende unbedingt selbst herausfinden. Ich kann es mir jedenfalls gut vorstellen. Die profillosen, ungenagelten Ledersohlen unserer Schuhe bieten auf festem und feuchten Untergrund wenig Halt. Wenn der Boden nicht genug nachgibt, um etwas einzusinken, landet man schon Mal auf dem Hosenboden, wie ich auch auf Wanderungen bereits feststellen mußte.

Im Vergleich geht der moderne Spaten, den wir eingesetzt haben, deutlich leichter und tiefer auch in harte Erde. Stemmt man sich mit dem Fuß auf die Kante des eisernen Blattes, ist das jedoch nicht gerade angenehm in mittelalterlichen Schuhen. Selbst durch meine doppelt besohlten Schuhe habe ich es mit der Zeit gespürt. Uhtred mit seinen einfach besohlten Schuhen hat es lieber gar nicht erst versucht, was ich gut verstehen kann.

Der Spaten nach historischem Vorbild hat aber auch einen Vorteil, der mir aufgefallen ist. Einige Wurzelknollen habe ich frei gebuddelt und dann mit dem Spaten aus dem Boden gehebelt. Der Stiel des modernen Spatens knackt und knirschte dabei und wies nahe der Tülle anschließend Beschädigungen auf. Der komplett aus einem Holzstück konstruierte Spaten machte solch rüde Behandlung problemlos mit. Man kann also von einem sehr robusten Werkzeug sprechen.

Für Hacke und Spaten möchte ich ein gemeinsames Fazit ziehen, da sie zumindest bisher in unserem Projekt nur gemeinsam eingesetzt werden können. Der Spaten gräbt nur eine bereits aufgebrochene Krume. Wo er versagt, wendet die Rundhacke ganze Soden. Dieses Bild hier ist absolut typisch. Dabei meine ich nicht meinen durchgeschwitzten Zustand, sondern daß ich mit der Hacke eine ganze Sode mitsamt Wurzelwerk aufreißen und wenden kann.
...

Ich kann nur nochmal betonen, daß beide Werkzeuge zumindest bei vorher unbearbeiteter Scholle nur gemeinsam Sinn machen. Und beide gehen nicht sonderlich tief in den Boden. Zwar hatte ich bisher noch nicht das Vergnügen, Erfahrungen mit einem Ochsengespann und einem Pflug zu machen, aber nach dem zu urteilen, was man so liest, arbeitet auch ein Hakenpflug nur an der Oberfläche. Vielleicht wurde bei der Arbeit mit Hacke und Spaten ähnlich verfahren und der Boden nur bis dicht unter der Grasnabe bearbeitet.
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« Zuletzt geändert: 14.11.11 um 20:44:03 von Æthelweard »  

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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #5 - 14.11.11 um 08:32:41
 
Hey Karsten,

ein schöner Erfahrungsbericht. Und schon einige interessante Aspekte.

Eine Anmerkung zum Vorgehen bie Belegen: Kannst Du vielleicht demnächst, wenn Du mit Quellen arbeitest eine Datierung und optimaler Weise auch die Benennung der Handschrift mitliefern? Dann lässt sich Deine Argumentation besser nachvollziehen und man kann gezielt nach mehr Informationen suchen, z.B. wenn man die Quelle noch nicht kennt.  Smiley

Interessant wäre sicher auch ein genauerer Blick auf die Ausstattung speziell im 12. Jahrhundert. Wir wissen ja, dass ein funktionierendes Konzept oft lange genutzt wird. Wir wissen aber auch, dass es immer wieder zu Innovationen kommt. Wenn Du also Quellen aus dem - ich tippe mal - 14. Jahrhundert zur Illustration heranziehst, stellt sich natürlich die Frage, ob der abgebildete Gegenstand bereits zweihundert Jahre zuvor so besteht...

Zum Thema "spitze" Hacke findet sich beispielsweise hier ein Hinweis: Codex Falkensteinensis ca. 1160, deutsch. Übrigens auch mit verzierter Kleidung. Es dürfte sich allerdings um Hopfenanbau handeln...

Zum Thema lange Kleidung und auch zum Ablegen der Kleidung bei der Arbeit finden sich im Hunterian Psalter um 1170 aus England schöne Abbildungen.
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Æthelweard
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #6 - 14.11.11 um 09:28:47
 
Der Verbesserungsvorschlag ist auch schon von anderer Seite an mich herangetragen worden. Das werde ich heute abend noch nachholen.

Ich gebe zu, daß die Bilder zum Teil ziemlich in Eile zusammengesucht wurden und daher nicht immer zur besprochenen Epoche passen. Um ehrlich zu sein habe ich aber eh damit gerechnet, daß es hier Leute gibt, die sinnvoll ergänzen können und mir mit Tipps zu besseren Bildquellen aushelfen. Zwinkernd
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #7 - 14.11.11 um 21:22:30
 
Soderle, ich habe die Quellen nun benannt und mit Datierungen gefunden und dabei einige Bilder ausgetauscht. Auch habe ich eine Passage revidiert (dabei aber kenntlich gelassen), die allerdings nicht direkt mit meinen praktischen Erfahrungen in Zusammenhang steht.

Auf eine Sache bezüglich der Sense und Kleidung will ich noch hinweisen. Das Bild aus dem Hunterian Psalter zeigt links einen Mann im langen, recht weit geschnittenen Gewand. Dem Stiel nach zu Urteilen führt er ebenfalls eine Sense, genau wie sein Kollege. Solch ein Gewand finde ich beim Umgang mit der Sense bedenklich.

Auf dem Foto mit der Sense trage ich noch Hut und Tasche. Beides habe ich nach wenigen Augenblicken abgelegt. Ich wollte durch nichts behindert werden, wenn ich ein scharfes Sensenblatt schwinge.
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #8 - 14.11.11 um 23:10:59
 
Vielen Dank. Das ist übersichtlicher so.

Am Rande: Ein Hinweis noch zu den Hosen. Die Abbildung im Fecamp Psalter zeigt zwar helle Beine. Ich würde aber nicht zwingend darauf schließen, dass der Abgebildete darum keine Hosen trägt. Bei anderen Abbildungen sieht man das Fehlen der solchen dagegen deutlich. (Siehe Sensenmann  Zwinkernd)
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #9 - 15.11.11 um 09:17:14
 
Nicht zwingend, da stimme ich zu. Ich habe mir den Fecamp Psalter jetzt nochmal intensiver vorgeknöpft. Es gibt mehrere Bilder auf denen Beine in der gleichen Farbe abgebildet sind, wie die Haut von Gesicht und Händen.

...

...

Nur zwei Beispiele, es gibt noch mehr.

Man sieht die gleichen Linien auf den Beinen wie bei Abbidlungen von eindeutig nackten Beinen.

...

Aber auch bei Hosen sehen sie nicht ander aus. Hier eine direkte Vergleichsmöglichkeit.

...

Ich bin daher nach der Farbe gegangen. Eindeutig ist es aber IMO nur, wenn auch die Füße nackt sind oder hochgekrempelte Hosenbeine zu sehen sind. So wie bei dem Mann oben links im Bild.

...

Gerade diese Figur hat es mir angetan. Das Gewand ist ungegürtet für Bewegungsfreiheit, der Kopf bedeckt (in diesem Fall wohl ein breitkrempiger Hut gegen die Sonne), die Beine sind hochgekrempelt, die Schuhe ausgezogen. Das wirkt sehr glaubhaft.

Im krassen Gegensatz dazu stehen die Bilder aus dem Hunterian Psalter, wo Menschen in wirklich langen Gewändern arbeiten. Ich würde auf einen deutlich höheren Grad von Idealisierung tippen.
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #10 - 15.11.11 um 09:54:04
 
Schön ist auch, dass Dein Favorit einen Hut trägt, der dem Muster nach recht wahrscheinlich ein Stroh oder Binsenhut sein dürfte...
Die Harke ist übrigens auch schick.  Smiley

Und noch etwas auffälliges: Du hast oben über die beste Beinbekleidung reflektiert. Der letzte Herr unten links zeigt offenbar halbhohe Stiefel. Dazu gibt es auch Funde.
Die Frage ist natürlich inwieweit ein Beinschutz bei der täglichen Feldarbeit noch notwendig ist. Bei der Rodung eines Geländes sind die Belastungen doch andere (hohes Gestrüpp, Brenesseln, Dornen). Ist der Bereich mal bewirtschaftet, muß man sich um seine Beine sicher weniger sorgen.

Barfuß zu arbeiten ist sicher möglich und dürfte auch vorgekommen sein. Es kommt jedoch auf die Arbeit an. Bei der Getreideernt ohne Schuhe herumzulaufen dürfte beispielsweise ziemlich unangenehm sein, weil man sich an den abgeschnittenen Halmen die Füße aufschneidet. Bei der Heuernte oder der Gartenarbeit sieht das sicher anders aus.

Hierzu gibt es auch historisches: Es gibt zum Beispiel eine Geschichte aus den Kanonisationsakten der Hl. Elisabeth aus den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts. Während einer großen Hungerkriese schickte Elisabeth die Armen auf die Felder, wohl um herabgefallene Getreidekörner noch aufzuklauben. Zuvor gab sie ihnen neben Kleidung auch: Schuhe.
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #11 - 15.11.11 um 11:26:14
 
Solche Vollholzharken kann man heute noch kaufen, sie sind im Einsatz bei der Heuernte (ist ja auch oben so dargestellt).
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mit ritterlichem Gruß Tankret de Donjon-Blanc
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Werner
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #12 - 15.11.11 um 12:10:18
 
Hochgekrempelt oder nicht vorhanden?!

Es könnten hochgekrempelte Beinlinge sein, dann aber welche ohne Fußteil - wovon es sehr wenige Abb. geschweige Funde gibt. Die meisten hatten einen angesetzten Fuß.
Es könnte als auch die Bruche - oder eben die Beinröhren der Bruche sein.

Btw. Beinlinge mit Fuß haben auf Erdboden einen riesen Vorteil, wie ich ihn selbst schon erlebte. Wenn ich in meinen Wendeschuhen Barfuß bin, wie z.B. in Dorstadt teilweise, habe ich extrem dreckige eridge Füße - durch die Schuhe!
Das habe ich mit angesetztem Fuß eben nicht, weiterer Vorteil ist die Wärme/Nässeisolation nach unten - also auf einem Acker (Erde)...und evt. Feuchtigkeit würde ich (außer im heißem Sommer) Beinlinge mit Fußteil bevorzugen.
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Der im Strîtgewand tanzt
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #13 - 15.11.11 um 15:51:24
 
Ich habe schon einmal explizit nach Hosen ohne Fußteil gesucht und eine Reihe von eindeutigen Abbildungen gefunden.

Für ärmere Leute dürften Hosen ohne Fußteil den Vorteil gehabt haben, dass man barfuß gehen und so die Schuhe schonen konnte, bei Durchquerung von Bächen - z.B. beim Hüten des Viehs - einfach die Hosen hochkrempel konnte, statt sie ganz ausziehen zu müssen und, wie hier abgebildet, eine weitere Möglichkeit zur Wärmeregulation bei der Feldarbeit hatte.

Im hier gezeigten Fall (letztes Bild) haben wir deutlich zwei Hosenträger abgebildet und zwei Mal sieht man die Bruche. Ich würde bei dem gekrempelten Teil hier auf Grund der für diese Handschrift typischen Darstellungsweise eindeutig auf Hosen tippen.

Vielleicht habt ihr im nächsten Sommer ja mal Lust die Varianten zu testen?  Augenrollen
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Re: Erfahrungen aus dem Ackerprojekt
Antwort #14 - 15.11.11 um 19:13:27
 
Ja, das wird auf jeden Fall noch ausprobiert, da ich ja Hosen ohne Füße habe. Ehrlich gesagt habe ich darüber nachgedacht das schon an diesem WE mit dem Spaten zu probieren, um dem Herrn aus dem Speculum Virginium nachzueifern.

Ich gehe auch eher von Hosen aus, da die Beinbekleidung auffällig eng ist und nicht so weit, wie die abgebildete Bruche.

Schön, daß hier gleich die Schuhe aus dem Psalter angesprochen werden, hatte ich auch noch vor. Die sind nämlich auffallend hoch und immer mit einer Art Schnürung um die Fußgelenke abgebildet, was man in anderen Werken nicht unbedingt sieht. Man schaue sich die Bilder aus dem Hunterian Psalter an. Da sind auch Schnürungen zu sehen, aber eben nicht immer.

@ Tankred

So eine Holzharke müßte ich noch im Keller stehen haben.
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