Ares Hjaldar de Borg
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a furore normannorum libera nos domine...
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Wulfen
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Julian Berg ist stolz wie ein römischer Kaiser. Im Kettenhemd und Tunika steht er im Lager am Museum. Seit Samstag ist auch er ein waschechter Legionär.
Der blonde Sechzehnjährige mit den zerzausten Haaren hatte sich damit einen Traum erfüllt. Die Kohorte Opladen, die am Wochenende zu den Römertagen in die Seestadt gekommen war, hatte ihn nun als vollwertiges Mitglied aufgenommen.
„Es war üblich, dass die jungen römischen Männer im Alter von etwa 16 bis 18 Jahren in die Legion eintraten“, erklärt Klaus Schwab. Als Centurio Gaius Claudius Suebus Dentatus leitet der Zahnmediziner seit Mitte der 1980er Jahre die Kohorte, die sich seitdem von einem rheinischen Karnevalsverein zu einer international renommierten Instanz in der antiken Geschichtsdarstellung gemausert hat. Neben den gebrüllten Kommandos der römischen Offiziere war es vor allem die Stimme von Klaus Schwab, die am Wochenende über das Veranstaltungsgelände hallte und den Besuchern das römische Leben näher brachte.
Auch Julian Berg hat sich vorbereitet: Unverdrossen drückt er den Besuchern den fast neun Kilo schweren Turmschild in die Hand, erklärt Waffen und Ausrüstung, und lässt sich von den Gästen Löcher in den Bauch fragen. „Ich kenn das schon, ich wurde ja praktisch hineingeboren“, lächelt Julian und sieht zu seinem Vater herüber, der in einiger Entfernung in voller Rüstung mit Besuchern spricht. „Mein Vater ist auch in der Legion. Daher habe ich mitgemacht, seit ich klein bin“. Vor rund sieben Jahren habe er dann den Entschluss gefasst, auch Legionär zu werden. Wie in der Antike, so musste Julian auch im Hobby Verantwortung und Wissen zeigen, damit er aufgenommen wurde. Das Hobby, die Lebende Geschichte, wird von allen Anwesenden schließlich sehr ernst genommen – auch bei den Germanen. „Sobald die Besucher die Dinge vor sich sehen, sie anfassen können, begreifen sie vieles auch sofort“, weiß auch der Archäologe Norbert Reuter. Reuter, der auch in Haltern schon gegraben hat und viele Jahre Erfahrung in musealen Führungen mitbringt, unterschied sich optisch in seiner bunten Tracht auf den ersten Blick von den schwer bewaffneten Römern. „Die Hauptwaffe war der beliebte spitze Stock“, sagt Reuter und die Gäste wissen nicht so genau, ob er scherzt. Gerade haben sie die mächtigen Belagerungsmaschinen der Römer im Einsatz gesehen, wie sie Steine verschossen und Speere durch die Luft fliegen ließen, und nun das? Doch der Archäologe schmunzelt und erklärt, dass metallene Spitzen teuer und anfangs noch recht selten waren. Während der Legionär sich seine Ausrüstung selber kaufte, musste bisweilen ein ganzes Dorf zusammenlegen, um einen germanischen Krieger auszustatten und zu ernähren. „Ich habe das mal mit viel Aufwand durchgerechnet und bin zu dem Schluß gekommen, dass man etwa 40 Leute brauchte, um einen Krieger auszustatten“, betont Reuter und fügt dann lächelnd hinzu, dass er nach dem ganzen Rechercheaufwand gemerkt habe, dass das auch schon andere Wissenschaftler ausgerechnet hatten. „Immerhin sind die auf das gleiche Ergebnis gekommen“. Die Zuschauer grinsen – und hören gebannt zu.
Das Konzept des Zeigens und Ausprobierens ging auch im Museum voll auf. Die Archäologin Eva Nolte und ihre Kolleginnen von der Museumspädagogik verwandelten schnöde Halterner Besucher in schmucke römische Bürger mit Toga, Tunika und Stola. Wer mochte, konnte durch die Ausstellung bummeln oder draußen Handwerkern, Darstellern und Fachleuten bei ihren Arbeiten zusehen.
Das beste Beispiel aber, wie man Menschen von heute die Lebenswirklichkeit von damals beibringen kann, ankerte etwas abseits am See. Die Victoria, der Nachbau eines römischen Bootes, konnte von Freiwilligen gerudert werden. Wer sich auf die feuchten Ruderbänke setzte, fühlte sich gleich an Galeerensklaven aus alten Filmen erinnert. „Das ist ein Klischee“, erklärte der junge Steuermann, „hier ruderten keine Sklaven, sondern die Legionäre selbst“. Den dafür nötigen Kraftaufwand konnte man sogleich selbst spüren: Überraschend schwer lassen sich die Riemen zunächst ins Wasser bewegen. Erst nach einiger Übung klatschen die Riemen an beiden Seiten fast gleichzeitig ins Wasser, das Boot gleitet voran. „Wie man sieht, können auch Ungeübte ein solches Boot schnell führen“, hört man den Steuermann sagen. Und fühlt sich gleich wie das Mitglied einer Gurkentruppe. Aber Spaß machte es trotzdem, und die Römer hatten ja schließlich jeder zwanzig Dienstjahre in der Legion Zeit zum Üben.. ares
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