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Die Mäuse der Wikinger (Gelesen: 1684 mal)
Ares Hjaldar de Borg
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Die Mäuse der Wikinger
17.06.10 um 11:40:41
 
Zitat:
Die Mäuse der Wikinger


Im Erbgut der Nager findet man Spuren, nach denen auch Historiker und Anthropologen oft suchen: verlässliche Zeugen unserer Siedlungsgeschichte. Auch die norwegischen Wikinger prägten die Mäusepopulationen.

Hausmäuse bereichern die Wissenschaft nicht nur in ihrer Laborausgabe, auch frei lebende Populationen sind lohnende Forschungsobjekte. Anpassungsfähig und vermehrungsfreudig hat die Spezies Mus musculus im Schlepptau des Menschen globale Verbreitung gefunden. Ihre jüngste Evolution ist folglich davon geprägt, dass sich vielerorts neue Populationen entwickelt haben. Wie viel Zufall dabei im Spiel war, bezeugen die Mäuse auf den Liparischen Inseln. Wissenschaftler um Emanuela Solano von der Universität La Sapienza in Rom haben auf fünf der sieben Inseln Tiere mit ungewöhnlich zusammengesetzten Chromosomen entdeckt. Üblicherweise ist das Erbgut von Hausmäusen auf vierzig Chromosomen verteilt. Wenn zwei davon versehentlich zu einem größeren verschmelzen, vermindert sich zwar die Anzahl dieser Verpackungseinheiten, der Genbestand bleibt jedoch unverändert.

Auf einer kleinen Liparischen Insel fanden die Forscher Chromosomenanomalien, die mancherorts auch auf der nahe gelegenen Insel Sizilien anzutreffen sind. Außerdem spürten sie dort drei Mäuse auf, die von einem Elternteil 18 Chromosomen geerbt hatten, vom anderen 19 („Biological Journal of the Linnean Society“, Bd. 96, S. 194). Eine ungerade Zahl von Chromosomen macht es schwer, das Erbgut zu gleichen Hälften auf die Geschlechtszellen zu verteilen. Deshalb sind solche Tiere oft unfruchtbar, zumindest aber nur eingeschränkt fortpflanzungsfähig. Kein Wunder, dass sich auf keiner zweiten Liparischen Insel solche Mischlinge fanden. Die Ausstattung der Mäuse von Lipari und Stromboli deutet jedoch darauf hin, dass die Hälfte ihrer zwölf zusammengesetzten Chromosomen vom italienischen Festland stammt. Ob die übrigen, auch für andere Inseln typischen Chromosomenvarianten einst vor Ort entstanden sind, bleibt ungeklärt. Ebenso offen bleibt die Frage, wann die Hausmäuse auf den Liparischen Insel heimisch geworden sind.

Hausmäuse sind dieser Konkurrenz nicht gewachsen

Die westliche Variante der Hausmaus (Mus musculus domesticus) stammt aus dem Nahen Osten. Als dort vor etwa zehntausend Jahren der Ackerbau erfunden wurde, war sie sofort zur Stelle, um sich in Wohnhäusern und Getreidespeichern einzunisten. In den westlichen Mittelmeerraum hat sie sich dann vor etwa viertausend Jahren ausgebreitet. Früher oder später bot damals sicher einer der seetüchtigen Anrainer eine Mitfahrgelegenheit zu den Liparischen Inseln. Dort waren die Hausmäuse keineswegs auf gastliche Siedlungen angewiesen. Auch heutzutage pfeift dort ein Großteil auf ein Dach über dem Kopf und tummelt sich rund ums Jahr in freier Natur.

Nördlich der Alpen ist das Klima dagegen eindeutig zu rauh für obdachlose Hausmäuse. Selbst die nahe verwandte Waldmaus sucht hier während der kalten Jahreszeit gern in Gebäuden Zuflucht. Da Hausmäuse dieser Konkurrenz nicht gewachsen sind, konnten sie vielerorts nur in relativ großen, für Waldmäuse unwirtlichen Siedlungen Fuß fassen. Das verzögerte ihre Ausbreitung in Nord- und Westeuropa. In Südengland, so zeigen archäologische Funde, hatten sich die Hausmäuse bereits in der frühen Eisenzeit etabliert. Bis zur schottischen Grenze kamen sie anscheinend aber erst in der Römerzeit. Erstaunlicherweise ist ihre genetische Vielfalt dennoch kaum geringer als in der Türkei, wo sie zur alteingesessenen Fauna zählen.

Dort waren sie für rabiate Raubzüge berüchtigt

Wie Wissenschaftler um Jeremy B. Searle von der University of York und Catherine S. Jones vom University College London mit molekulargenetischen Analysen herausfanden, sind die regionalen Unterschiede in Großbritannien sogar wesentlich ausgeprägter als in der Türkei (“Proceedings of the Royal Society“, Teil B, Bd. 276, S. 201). Offenbar kamen sie dadurch zustande, dass im Laufe der Zeit Mäuse unterschiedlicher Herkunft eingeschleppt wurden. Zwei in England besonders gängige Varianten sind beispielsweise auch hierzulande nicht selten. Nach Einschätzung der Forscher sind sie schon vor Ankunft der Römer aus Mitteleuropa eingereist.

Prägnante Spuren in den Mäusepopulationen hinterließen auch die norwegischen Wikinger, die im Jahre 793 erstmals die Britischen Inseln heimsuchten. Dort waren sie bald für rabiate Raubzüge berüchtigt, betätigten sich aber auch konstruktiv als fleißige Siedler. Dass sich die Orkney-Inseln im elften Jahrhundert zu einem regen Zentrum der norwegischen Wikingerkultur entwickelten, spiegelt sich noch heute in der dortigen Hausmauspopulation. Nach den genetischen Varianten, die auf den Orkney-Inseln heimisch sind, sucht man in weiten Teilen von Großbritannien vergeblich. Auf den Shetland-Inseln, den Äußeren Hebriden, der Isle of Man und in Irland, wo Städte wie Dublin und Limerick von Wikingern gegründet wurden, sind sie jedoch ebenso anzutreffen wie in Norwegen. Was freilich nicht heißen muss, dass diese Variante der Hausmaus norwegischer Herkunft ist. Als blinder Passagier auf Wikingerschiffen könnte sie ebenso gut in entgegengesetzter Richtung gewandert sein, von den Britischen Inseln nach Skandinavien.

In der Ladung versteckt, haben Hausmäuse mit den Kriegs- und Handelschiffen unternehmungslustiger Wikinger zweifellos weite Strecken zurückgelegt. Einschlägige archäologische Funde kamen auch auf Island und Grönland ans Licht. Womöglich können molekulargenetische Analysen bei heutigen Mäusepopulationen sogar Hinweise auf Wikingersiedlungen liefern, die sonst keinerlei Spuren hinterlassen haben. Selbst in Neufundland, wo die Wikinger scheinbar nie richtig sesshaft wurden, könnten sich solche Untersuchungen als aufschlussreich erweisen.


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