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Reitstile im Mittelalter (Gelesen: 4024 mal)
Lord_Freeze
Kriegsknecht
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--<<DEUS LO VULT>>--

Beiträge: 33
Haltern am See
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Reitstile im Mittelalter
14.03.04 um 10:19:40
 
Moin moin.. ich hab mal eine ich denke mal einfache Frage. Und zwar, Was hatten die Leute damals im mittelalter für einen Reitstil. Heute gibt es ja Englisches und Western Reiten.

Schließlich brauch man ja beim kampf zu pferd eine Hand frei um die waffe zu führen.

Da ich letztens in dem Film Timeline gewesen bin, (geht um eine zeitreise ins mittelalter) Und dort mal speziell auf den Reitsil der Ritter geachtet hab ist mir aufgefallen, das die dort den Western reitstil benutzten. jetzt frag ich mich ob das überhaupt historisch korrekt ist. Oder es einfach nur daran liegt, das der film in den USA gedreht wurde Dieser Reitstil der einfachste war.

gruß LordFreeze
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Tankret de Donjon-Blanc
Ritter
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Beiträge: 932
Dorsten-Wulfen
Geschlecht: male
Re: Reitstile im Mittelalter
Antwort #1 - 15.03.04 um 10:56:12
 
Das ist ein weites Feld, was du hier anschneidest:
Eine ungenaue, oberflächliche aber kurze Antwort: Im Mittelalter ritt man mehr in der Westernreitweise.

Nun die etwas genauere, aber dennoch nicht wissenschaftliche Version:
Sieht man sich mittelalterliche Abbildungen an, stellt man an fest, dass die Ritter seit min. 1066 mit vergleichsweise geradem Bein geritten sind. Ihre Steigbügel waren also vergleichsweise lang. Beim Dressurreiten (englischer Reitstil) ist das Bein dagegen stärker angewinkelt, zudem verfügt der Sattel über "Bauschen", an denen man sich mit den unteren Bereich der Oberschenkel "festdrücken" oder "festklammern" kann. Betrachtet man einen hochmittelalterlichen Sattel ab 1066, so stellt man fest, dass er diese Bauschen nicht hat.
Aus Abbildungen ist weiterhin zu entnehmen, das die Zügel der Ritter auffallend locker am Pferdehals hängen. In Reitschulen lernt man als Anfänger, dass man durch eine gewisse Zügelspannung den Kontakt zum Pferd hält.
Ritter haben ihre Pferde somit anders gelenkt bzw. angehalten:
Die Ritter ritten mit Kandare,  wodurch ein leichtes Ziehen am Zügel den vielfachen Druck auf das Gebiss des Pferdes ausübt als bei gewöhnlichen Zügeln. Aus diesem Grund ist eine Kandare auch etwas für geübte Reiter, die über das nötige "Finderspitzengefühl" für dieses Gebiss haben. Mit einer solchen Kandare kann man auch leicht mit längeren Zügeln reiten.
Wahrscheinlicher ist aber, das die Ritter ihre Pferde weitgehend durch die Verlagerung von Körpergewicht und Schenkelhilfen geritten haben. Hierbei kann ein erfahrener Reiter das Pferd faktisch freihändig reiten und somit auch dem Schild besser einsetzen (Habe ich schon so gesehen).   

Zum Westernreiten: Das Westernreiten hat sich, glaube ich, aus dem Reitweisen von spanischen und portugisischen Viehtreibern entwickelt. Es handelt sich also um eine Gebrauchsreiterei, die für mittelalterliche Zwecke in so fern brauchbar ist, da diese Reitweise heute weit verbreitet ist, somit von erfahren Reitlehren weitergegeben wird, über viel Literatur verfügt und letztlich über eine ähnliche Beinhaltung verfügt.
Besser wäre aber hohe spanische Reitschule was, glaube ich, auch als Barockreiten bekannt ist. Diese hat sich unmittelbar aus der Reitweise entwickelt, welche die Ritter anwendeten. (verg Artikel über den Hofmann des Mittelalters auf diesen Seiten) Denn auch hier reitet man mit gestrecktem Bein. Diese Reitweise ist aber vergleichsweise in D. selten anzutreffen. Um eine ritterliche Reitweise zu erlernen, wäre es auch sinnoll zurückzuverfolgen woher spanische und portugiesische Stierkampfreiter ihre Techniken haben.

Bei der Auswertung von mittelalterlichen Siegelbildern und Miniaturen aus dem 12. u. 13. Jhr. fällt mir immer auf, das die Ritter ihr Bein weit nach vorne strecken (derartige Reitweisen sieht man auf dem Teppich von Bayeux nicht!). Diese Sache ist in so fern von Bedeutung, weil man sowohl beim englischen Reitstil als auch beim Westernreiten dies als "Stuhlsitzigkeit" bekämpft. Hierdurch wird verhindert, dass der Schwerpunkt in Becken liegt. Da man ja mit diesem auf dem Pferd sitzt ist die Bedeutung ziemlich offensichtlich. Auch praktisch muss ich sagen, dass sich mit so weit vorgestreckten Bein erheblich schlechter reiten lässt, als mit einer Beinstellung, bei der Hacke, Becken und Schulter eine senkrechte Linie bilden.

Kann vielleicht jemand dieses Problem klären ?  ...


PS: Der Film soll sehr schlecht sein;  @ Ares @George  "Nachtpfeile" ...; aber die Diskussion hierüber gehört in einen anderen Ordner      
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mit ritterlichem Gruß Tankret de Donjon-Blanc
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Lord_Freeze
Kriegsknecht
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--<<DEUS LO VULT>>--

Beiträge: 33
Haltern am See
Geschlecht: male
Re: Reitstile im Mittelalter
Antwort #2 - 16.03.04 um 21:15:34
 
nicht schlecht.. sehr aufschlussreich
besten dank..

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