Der Ringträger schweigt, das Publikum tobt


Der Hobbit Frodo schleppt sich die letzten Meter zum Schicksalsberg. Hier soll er den Ring des dunklen Herrschers Sauron vernichten. Darauf hatten die 1400 Kinobesucher über zehn Stunden gewartet: Das Geknister von Popcorn und Bonbonpapier verebbt - und dann fällt der Ton aus.

"Das ist doch wohl ein Scherz", vermutet Colette Both zuerst. Seit 17 Uhr saß sie zusammen mit ihrem Arbeitskollegen Oliver Borkwardt im Saal fünf des Village Cinemas im Centro. Allein hier hatten sich 600 Tolkien-Anhänger versammelt, um den neuesten und letzten Teil der "Herr der Ringe"-Triologie anzusehen.

Das schmerzende Hinterteil, das nach zehn Stunden nonstop wieder aus dem Kinosessel wollte, und die Müdigkeit um halb vier Uhr nachts spürt Colette kaum. Gespannt verfolgt sie, wie die Reise des Hobbits Frodo zu Ende geht - und mit ihr der Ton. "Das schreit nach Freikarten", fordert sie sogleich. Wütend stimmt sie in den spontan entstehenden, natürlich ironisch gemeinten Applauskanon der Fangemeinde ein. Das Gemeinschaftsgefühl auf der Leinwand scheint sich auf das Publikum zu übertragen. Nach zwei Minuten, die der Kinobesucher zwar sehen, aber nicht hören kann, setzt die Vorstellung dann komplett aus. Als das Bild mit dem Ton wiederkehrt, waren schon die ersten gegangen. "Die stummen Szenen wurden nicht einmal wiederholt", erzählt Oliver, "das hat den ganzen Film zerstört."

Village-Betriebsleiterin Ana Coric entschuldigt den Vorfall mit menschlichem Versagen. "Wir bekommen die Filme in Teilen geliefert, die wir dann zusammenfügen." Da bei den Filmnächten stets Hektik herrsche, seien die letzten beiden Teile versehentlich falsch zusammengeklebt worden. "Deshalb fiel der Ton aus." Die Cineasten würden entsprechend entschädigt. Gegen Vorlage des Ticket liegt für sie eine Freikarte bereit. Problem nur: "Die Rückkehr des Königs" ist bis Ende des Jahres ausverkauft.

Kurioses De´jà-vu: Bereits im Vorjahr, als zum Start von "Die zwei Türme" die beiden ersten Teile am Stück gezeigt worden waren, hatte es ähnliche technische Probleme gegeben.

Ohne Pannen ging´s in der Lichtburg über die Leinwand. "Alle verharrten gebannt in ihren Sesseln, die Leute gingen nicht mal zum Rauchen raus", sagt Tanja Litznerski vom Kino. Auch seien für die nächsten Vorstellungen immer noch Karten zu bekommen. Eng wird es hier allerdings auch.

"Der Film war trotz allem wirklich großartig", schwärmen Colette und Oliver. Der nächste Kinobesuch ist auch schon beschlossen - "aber dieses Mal bitte mit Ton."hat den ganzen Film zerstört.

17.12.2003   Von Stephanie Weltmann