• Home | This page in English


    Presseartikel über Furor Normannicus




    Aus dem Stadtspiegel Haltern, Mittwoch, 22. Oktober 2008

    Wandern wie vor 800 Jahren

    Flaesheim / Wulfen. Vor rund 800 Jahren war das Wandern kein Zuckerschlecken. Wer Pech hatte, konnte in der Haard auf Wölfe oder Bären treffen, und wer sich den Fuß verstauchte, konnte nicht per Handy um Hilfe rufen. Da hat der moderne Mensch es besser - bis er in mittelalterlicher Kleidung wandert und auf ungeahnte Probleme trifft. Die Wulfener Mittelaltergruppe Furor Normannicus machte zusammen mit Gästen am Samstag die Probe aufs Exempel.

    Ein paar Passanten schauten verdutzt, als sie die kleine Schar sahen, die sich am Samstagmittag an der Flaesheimer Kirche versammelten. Breite Strohhüte, lange Kleider aus Wolle oder Leinen, sogar Schild und Speer trugen die neun Wanderer am Leib. Doch es sollte kein vorgezogener Sonntagsspaziergang werden, auf die sich die jungen Männer und Frauen vorbereitet hatten. "Gewanderung" lautete das Motto des Ausflugs in mittelalterlicher Kleidung (der Gewandung), zu dem die Gruppe Furor Normannicus aus dem nahen Wulfen eingeladen hatte. Ziel war es, an einem Tag wie vor 800 Jahren zu reisen.


    Keine Coladosen, keine Schokoladenriegel, kein GPS-Gerät - und vor allem keine festen Wanderstiefel. "Bei historischem Schuhwerk wird Schotter zur Hölle", erklärt Sascha Klauss. Der Düsseldorfer war mit seiner Freundin Nina Schnittger wie die anderen Teilnehmer schon in historischer Tracht angereist. Ein Blick auf seine Schuhe verriet schnell, warum moderner Straßenbelag Gift für mittelalterliche Füße wäre. Eine dünne, profillose Ledersohle - das ist alles, was den Fuß des Wanderers von der Straße trennt. So bestimmte das Schuhwerk auch die Strecke, denn die ausgebauten Schotterstrecken kamen nicht in Frage. "Waldwege und querfeldein sind gut zu meistern", weiß Klauss, der mit seinem Speer und einem großen Rundschild auf dem Rücken als einfacher Soldat mitwandert.


    Die anderen Reisenden stützen sich auf Wanderstöcke, die auf den engen, steilen und manchmal arg zugewachsenen Pfaden sehr nützlich sind. Anders als die damaligen Pilger mussten sich die Geschichtsfreunde aber nicht mit dem Stab gegen wilde Hunde zur Wehr setzen. Stattdessen hatte Furor-Normannicus-Mitglied Janna Trowe ihre eigenen beiden Vierbeiner dabei. Die beiden Windhunde, deren Besitz im Mittelalter meist dem Adel vorbehalten war, trotten brav an der Leine nebenher.

    Dennoch verlangen sie die volle Aufmerksamkeit ihres Frauchens, etwa als es einen Bach zu überqueren gilt. Da sind die Hunde an der Leine, der Wanderstab in der anderen Hand und das lange Kleid, die das Überschreiten des Gewässers zu einem kleinen Abenteuer machen, und nicht zuletzt auch das Reisegepäck. Denn mangels eines modernen Rucksacks müssen sich die Wanderer mit historischen Methoden behelfen. Die meisten sind mit einer einfachen quadratischen Leinentasche, der sogenannten Pilgertasche, bewaffnet, und tragen ihr Wasser wie damals in ledernen Flaschen oder ausgehöhlten Kürbissen. Sascha Weber, der sich der Gruppe aus Bielefeld kommend angeschlossen hat, trägt zudem eine der im Münsterland noch heute allbekannten Kiepen auf dem Rücken.


    So ausgerüstet, machen die Geschichtsfreunde ihre eigenen Erfahrungen mit dem Weg. Sie spüren jeden Stein durch die Ledersohlen, erfahren die Abwehrkraft von wollenen Beinwickeln gegen Disteln und Kletten, und merken, wie wichtig Wasser auch bei einer nur vergleichsweise kurzen Wanderung von rund 15 Kilometern ist, wenn man meist über Stock und Stein - und nicht auf festen Straßen - unterwegs ist. Dennoch genießen sie die Schönheit der herbstlichen Waldlandschaft, in der sie abseits der ausgetretenen Wege meist ganz alleine unterwegs sind


    Bei der Rückkehr am Abend sind die Freunde erschöpft. Sie haben erfahren, dass die Haard nicht umsonst als eines der kleinsten Mittelgebirge Deutschlands gehandelt wird, und was ein langer Marsch in historischer Kleidung bedeutet. Dennoch sind sich alle einig: Das war nicht die letzte "Gewanderung".


    Zurück