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    Ritter und Edelleute bei Hofe


    Adliger auf der Beizjagd
    (Shaftesbury Psalter, 2. Viertel 12. Jahrhundert, f.5r)
    Vorbemerkung

    Da die höfische Kultur im Mittelalter ihre eigentliche Blüte im Hochmittelalter hatte und danach durch den Verfall des Kreuzzugs-Gedankens im Niedergang begriffen war, beziehe ich meine Ausführungen im Wesentlichen auf das Hochmittelalter. Zwar kam es am Hof zu Burgund im 15 Jh. zu einer weiteren Blüte, diese ist aber nur als Bruchteil dessen zu sehen, wie die kulturelle Blüte des Mittelalters tatsächlich ausgesehen hat. Da die Zeit nach dem Hochmittelalter in Italien schon in die Renaissance übergeht, ist es daher zusätzlich zu verstehen, warum ich mich nur auf das Hochmittelalter beschränke.

    Der Ritter als Träger der höfischen Kultur

    Der Ritterstand hat sich aus der kriegstechnischen Notwendigkeit ergeben, daß die Könige und Fürsten über eine Armee aus Panzerreitern verfügen mußten, um sich auf den Schlachtfeldern durchsetzen zu können. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, aber anmerken, daß die sehr hohen Kosten, welche die Ausrüstung eines Ritters verursachte, dazu führten, daß die Ritter in das Lehnswesen als Lehnsmänner aufgenommen wurden. Aus diesem Umstand ergibt sich die erste Tugend, die ein Ritter haben sollte. Als Gegenleistung für das Lehen, welches er von seinem Lehnsherren empfangen hatte, sollte er diesem die Treue (fides) halten. Gewissermaßen als Produkte dieser Treue sollte der Ritter dem Lehnsherr Rat und Hilfe (consilium et auxilium) geben.

    Ein Ritter ist der miles christi (Ritter Christi). Gewisse Verhaltensweisen von Rittern sind nur im Bezug zu dieser Tatsache zu sehen, daß der Ritter sich für den Kämpfer Christi hält. Dies bildete einen großen Teil des Selbstvertrauens des Ritterstandes. Aus diesem Umstand erklärt sich der Niedergang der höfischen Kultur am Ende des Hochmittelalters (endgültige Niederlage der Kreuzfahrer im Heiligen Land).

    Dementsprechend ist der Ritter der Kirche treu ergeben. In der Erziehung eines Ritters werden allerdings in Religionsunterricht nur die Gebräuche der Kirche gelehrt. Dieser Umstand erklärt, warum es keine bewußte religiöse Fehlhandlung war, gegen Heiden zu kämpfen und diese zu töten.
    Nach dem Dienst für den König galt dann schließlich auch der Dienst für die Kirche als besonders verdienstvoll. Dennoch sind die Kräfte, die einen Ritter des Mittelalters ausmachen, im wesentlichen dieselben, welche den Hofmann in der Renaissance leiten. Denn trotz aller Treue zur Kirche, leitete den Ritter bei Hofe nicht die Heilige Schrift mit ihren Heiligen, sondern die Heldentaten der heidnischen Vorfahren (Heldenepos) und die ritterlichen Taten der Helden in den Ritterepen.

    Kreuzfahrerdarstellung in einer französischen Bibel um 1200.
    Fähigkeiten im Waffenhandwerk

    In erster Linie ist der Ritter des Mittelalters ein Krieger. Dementsprechend sind die wesentlichen Fähigkeiten, die der Ritter besitzt, im Waffenhandwerk zu suchen. Ein Ritter sollte sowohl mit Seitenwaffen, Wurfspeeren und dem Bogen (später Armbrust) umgehen können. Diese Waffen sollte er sowohl vom Pferde als auch zu Fuß beherrschen. Vom Pferde aus sollte er mit der Lanze kämpfen können. Desweiteren sollte ein Ritter auch voltigieren und ringen können.

    Beim Voltigieren zu Pferde handelt es sich nicht etwa um sinnlose Kunststücke, sondern ihre Anwendung findet sich auf den Schlachtfeldern des Mittelalters wieder. Ihr Zweck lag darin, daß Schlachtroß zu einer Waffe zu machen. Ein voll ausgebildetes Schlachtroß konnte so im einfachsten Fall von seinem Reiter dazu gebracht werden, auf Befehl mit den Vorder- oder Hinterhufen auszuschlagen. Ein Ritter, der vollständig von gegnerischem Fußvolk eingeschlossen war, wäre ohne diese Ausbildung des Rosses und Reiters ein einfaches Opfer gewesen. So aber erhob sich das Pferd auf die Hinterbeine, während der Reiter mit dem Schwert oder einer anderen Seitenwaffe um sich hieb. Diese Figur hieß "Levade".
    Sprang nun das Pferd auf den Hinterbeinen drei oder vier Sätze vorwärts, konnte es den Ring der Angreifer durchbrechen. Diese Sprünge nannte man "Gaurbette". Während dieser Sprünge schlug das Pferd mit den Vorderhufen aus.
    Hatte der Reiter sich auf diese Weise seinen Feinden entzogen, ließ er sein Pferd einen Luftsprung ausführen, bei dem es mit den Hinterbeinen kräftig ausschlug. Diese Figur hieß "Capriole".
    Hinter dem ausschlagenden Pferd war nun ein freier Platz, denn kein Fußsoldat näherte sich einem nach hinten ausschlagenden Pferd. Wenn doch, so stand dieser mit Sicherheit nicht mehr lange auf den Beinen.
    Nach dem Luftsprung landete das Pferd auf seinen vier Beinen, machte aber blitzschnell auf einem Hinterbein eine volle Drehung - eine "Pirouette" - und stürmte mit seinem Reiter durch die eben geschaffene Lücke davon. Die "Capriole" konnte der Reiter natürlich auch gegen andere Berittene einsetzen.


    Falke im Aberdeen Bestiary
    (1. Hälfte 12. Jahrhundert)

    Die Wirkung der wuchtig nach hinten ausschlagenden Pferdehufe war immer furchtbar. Diese Fähigkeiten mögen sehr fantastisch wirken, können aber heute noch in der spanischen Hofreitschule in Wien beobachtet werden.

    Als weitere körperliche Übungen sollte er sich auf das Laufen, Werfen, (Steine, Speere), auf das Pferd springen (mit Rüstung), Leitern (auf Sturmleitern klettern, um feindliche Befestigungen zu erobern) und das Schwimmen verstehen.

    Als Kriegsübung und Zeitvertreib sollte ein Ritter jagen können und die Beize mit Falken beherrschen.

    Weitere Tugenden

    Neben der Tugend der Treue und der Beherrschung des Kriegshandwerks, den christlichen Anstandsregeln (siehe oben) und einem guten Benehmen besonders Damen (Frauen) gegenüber (siehe unten), mußte ein Ritter die schon von der griechischen Antike her bekannten vier Kardinaltugenden Weisheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Tapferkeit besitzen.
    Joachim Bumke führt in seinem Buch "Höfische Kultur" ein Gedicht aus dem 13. Jahrhundert auf, mit dessen Hilfe er eine Reihe von solchen ritterlichen Tugenden dokumentiert:

    "Liebe Gott aus ganzer Kraft,
    gewöhne dich an Tugend,
    bemühe dich um gutes Benehmen,
    rede nicht bösartig,
    sei brav und anständig,
    ertrage den Haß der Bauern,
    danke dem, der aufrichtig zu dir spricht,
    beschütze die Armen".



    Anmerkung: Im Mittelalter gilt als "arm", wer arm an Macht ist.
    Aus diesem Grund beschreibt man diese Tugend heute mit "Beschütze die Schwachen."

    Erziehung

    Die gesamte Erziehung des Adels war auf das Erlangen dieser Errungenschaften ausgerichtet, zu welchem Zweck die Jungen oft an andere Höfe geschickt wurden. Dort mußten sie dienende Tätigkeiten übernehmen, um so die höfischen Fertigkeiten von der Pike (oder besser vom Pagen) auf zu erlernen. Der spanische Arzt Petrus Alfonsi formulierte zu Beginn des 12. Jahrhunderts ein höfisches Erziehungsprogramm, das die wichtigsten sieben weisen Regeln und die bedeutendsten sieben Fertigkeiten enthielt.
    Danach sollte man


  • kein Fresser sein,

  • kein Säufer sein,

  • nicht ausschweifend sein,

  • nicht gewalttätig sein,

  • kein Lügner sein,

  • nicht geizig und

  • nicht von schlechtem Lebenswandel sein.




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