Willkommen Gast. Bitte Einloggen
 
  ÜbersichtHilfeSuchenEinloggen  
 
Seitenindex umschalten Seiten: 1
Thema versenden Drucken
Historiker rätseln über mysteriösen Wikingerkönig (Gelesen: 4134 mal)
Ares Hjaldar de Borg
Administrator
FN Mitglied
*****
Offline


a furore normannorum libera
nos domine...

Beiträge: 3646
Wulfen
Geschlecht: male
Historiker rätseln über mysteriösen Wikingerkönig
22.12.11 um 09:55:08
 
Zitat:
Es war ein Überraschungsfund mitten auf einem Acker. Ein britischer Hobbyforscher hat einen Silberschatz aus jenen Jahren aufgespürt, in denen Wikinger Englands Norden regierten. Die Geldstücke bringen Historiker auf die Spur eines bisher unbekannten Herrschers.

Als seine Frau ihm im vergangenen Jahr einen Metalldetektor unter den Weihnachtsbaum legte, war es wahrscheinlich das tollste Weihnachtsgeschenk, das Darren Webster je bekommen hatte. Auch wenn er das zunächst bestenfalls ahnen konnte. Denn die wahre Tragweite wurde ihm erst an einem Tag Mitte September klar. Webster hatte gerade seinen Sohn von der Schule abgeholt und musste eigentlich zurück zur Arbeit. Doch es juckte ihn, noch einmal bei einem Feld in der Nähe des Dorfes Silverdale anzuhalten, obwohl er es bereits mehrmals mit dem Detektor abgeschritten hatte. Alles, was er bislang dort gefunden hatte, war ein relativ langweiliges Zweipence-Stück aus der Tudorzeit.


Doch kaum war Webster diesmal auf dem Acker, schlug der Detektor an. Der Schatzsucher grub los - und war zunächst enttäuscht, als er in nur wenigen Zentimetern Tiefe auf ein altes Bleiblech stieß. Doch das entpuppte sich als Kiste. Als Webster die aus der Erde hob, gab deren Boden nach und es regnete Silber auf seine Füße: 27 Münzen, zehn Armreifen, zwei Ringe, 14 Barren, sechs Broschen, einen Schmuckzopf aus Silberdraht und 141 Stück sogenanntes Hacksilber - zerstückelte Armreifen und Barren.

Noch am Abend rief Webster die zuständige Archäologin des Portable Antiquities Scheme an, dem alle großen Funde in Großbritannien gemeldet werden müssen. "Als ich die Armreifen sah, wusste ich schon, dass das Zeug aus der Wikingerzeit stammen musste", sagt der glückliche Finder. Doch wie besonders der Inhalt der groben Kiste tatsächlich ist, stellte erst der Münzexperte Gareth Williams vom British Museum fest. Unter den 27 Münzen war eine, wie sie noch kein Numismatiker je gesehen hatte. Auf der Vorderseite steht der Name jenes Herrschers, der die Prägung in Auftrag gab: Airdeconut.

Doch ein König mit diesem Namen ist der Forschung bisher völlig unbekannt. "Wahrscheinlich ist es der Versuch eines einheimischen Münzprägers, den Wikingernamen Harthacnut zu buchstabieren", erklärt Williams. Ein Harthacnut regierte zwischen 1035 und 1042 Dänemark. Von 1040 bis zu seinem Tod herrschte er auch in England. Die Münze aber passt nicht in jene Jahre. Sie sieht den Geldstücken der Wikingerkönige Siefredus und Cnut von Northumbria auffallend ähnlich. Doch die sind rund eineinhalb Jahrhunderte älter. Der Schatz von Silverdale wurde bereits um das Jahr 900 oder wenig später vergraben, ein Jahrhundert bevor der spätere König Harthacnut auch nur gezeugt war.

Wo könnte der König in die Chroniken passen?


"Wir haben es hier mit einem bisher unbekannten Wikingerkönig von Northumbien zu tun", freut sich Williams. Doch wo könnte er in die Chroniken passen? Der Numismatiker hat eine Idee: "Es gab einen König Guthred, der Northumbria von 883 bis zu seinem Tod im Jahr 895 regierte. Aus einer Chronik kennen wir den Namen seines Vaters: Harthacnut", erzählt er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Nun hatten die Wikinger den Brauch, Namen verschränkt über eine Generation zu vererben, also jeweils vom Großvater auf den Enkelsohn. "Der neu entdeckte Harthacnut könnte also der Sohn Guthreds gewesen sein, benannt nach seinem Großvater."

Doch das ist noch nicht das einzig Interessante an der kleinen Silberscheibe mit dem falsch buchstabierten Namen. Sie erzählt außerdem eine spannende Geschichte aus der Zeit, in der das Christentum den alten Glauben der Wikinger verdrängte. Auf der Rückseite sind die Buchstaben DNS (für das lateinische dominus, "Herr") und REX in Kreuzform angeordnet: dominus rex, "der Herr ist König". Airdeconut war offensichtlich ein Monarch, der großen Wert darauf legte, seine christliche Haltung jedem mitzuteilen, der eine Münze mit seinem Namen in die Hand nahm. Und das, obwohl noch die Generation seiner Eltern aus Skandinavien in Northumbria ein- und plündernd über so manches christliche Kloster hergefallen war. Doch nur wenige Jahrzehnte auf britischem Boden hatten aus den nordischen Heiden offenbar fromme Christen gemacht.

Es waren wilde Jahre, in denen der Schatz vergraben wurde. Die Wikinger hielten große Teile der Königreiche Mercia, Northumbria und East Anglia besetzt. In dieser später auch als Danelag bekannten Gegend gründeten sie Siedlungen und handelten eifrig mit den Einheimischen. Als internationale Währung, die nicht nur im Danelag, sondern auch in den Wikingerhandelsposten in Russland oder sogar dem Orient Gültigkeit hatte, galt das Hacksilber. Mit den ausgewogenen Silberstücken konnte ein Händler in Leicester ebenso bezahlen wie in Kiew oder in Nowgorod.

Schmuck mit irischem, angelsächsischem und karolingischem Design

Von der Umtriebigkeit der Wikinger erzählt die Vielfalt des Schatzes aus dem Feld von Silverdale. Die Münzen stammen nicht nur aus Northumbria, sondern auch von fränkischen und islamischen Herrschern. Ebenso bunt ist die Herkunft des Schmucks. Besonders ein Armreif ist ein herrliches Beispiel für wikingisches Multikulti zu Beginn des 10. Jahrhunderts: Ein Silberschmied verzierte ihn gleichermaßen mit irischen, angelsächsischen und karolingischen Stilelementen.

Natürlich waren nicht alle Wikinger im Danelag zu friedlich handelnden Christen geworden. Mord und Totschlag standen weiterhin auf der Tagesordnung. Davon erzählt die Münze aus der Kiste mit dem Namen Alwaldus, angelsächsisch Æthelwold. Der war ein Neffe von König Alfred dem Großen - und nach dem Tod seines Onkels entbrannte ein heftiger Streit um den Thron von Wessex. Æthelwold floh nach Northumbria, und die Wikinger dort erklärten ihn tatsächlich zum König. Die Ehre währte jedoch nicht lange. Kaum waren die Münzen mit seinem Namen geprägt und ein Heer zur Rückeroberung des Throns zusammengeklaubt, fiel Æthelwold auf dem Schlachtfeld.
Zum Seitenanfang
 

The monks wanted God to deliver them from our fury. Seems like God is on our side - we deliver more souls.
Homepage 111329766  
IP gespeichert
 
Ares Hjaldar de Borg
Administrator
FN Mitglied
*****
Offline


a furore normannorum libera
nos domine...

Beiträge: 3646
Wulfen
Geschlecht: male
Re: Historiker rätseln über mysteriösen Wikingerkönig
Antwort #1 - 22.12.11 um 09:56:18
 
Zitat:
Nach dem britischen Recht gehört der Schatz von Silverdale dem Herzog von Lancaster: aktuell also Königin Elizabeth II., die diesen Titel trägt. Sie tritt den Besitz jedoch ab, wenn ein Museum sich für den Schatz interessiert und bereit ist, den ehrlichen Finder entsprechend zu belohnen. Mit dieser Regelung der Entlohnung ermutigt Großbritannien alle Schatzsucher, ihre Funde auch tatsächlich zu melden und nicht vor der Königin geheim zu halten. Das Lancaster City Museum möchte den Schatz von Silverdale gerne für seine Vitrinen haben.

Den Erlös wird sich Webster mit dem Landbesitzer teilen. So haben die beiden es ausgehandelt, als dieser ihm die Erlaubnis zur Schatzsuche auf seinem Land erteilte. Am Ende wird aber immer noch genug übrig bleiben. Und es liegt auf der Hand, worin Mister Webster seinen Teil der Belohnung investieren sollte: In ein außergewöhnliches Weihnachtsgeschenk für seine Frau. Ohne sie wäre er schließlich nie zum Finder des Wikingerschatzes geworden.


Quelle und Fotos

...
Zum Seitenanfang
 

The monks wanted God to deliver them from our fury. Seems like God is on our side - we deliver more souls.
Homepage 111329766  
IP gespeichert
 
Seitenindex umschalten Seiten: 1
Thema versenden Drucken