@ Michael
Tests haben nur dann eine wirkliche Aussagekraft, wenn sie auch korrekt durchgeführt werden. Das war weder bei dieser "Reportage" der Fall, noch trifft das auf die meisten Versuche zu, die man im Internet oder Fernesehen sieht.
Ich bin gewiss kein Fachmann, wenn es um Bögen oder allgemein um Waffentechnik geht, aber gewisse Dinge sollten jedem einleuchten. Zum Beispiel:
1. Anachronismen verfälschen so einen Test völlig. Zwar gibt es deutlich ältere Versionen, aber der typische Langbogen ist eine Waffe aus dem Hundertjährigen Krieg und hatte in dieser Epoche als Militärwaffe seine Blütezeit. Im Hundertjährigen Krieg waren Kettengeflecht und Gambeson als schwere Panzerung veraltet. Die zeitgenössische Rüstung der schwergepanzerten Truppen bestand aus gehärteten Eisenblechen von bis zu 2 mm Stärke (in Einzelfällen sogar mehr). Natürlich gab es auch billigere Exemplare, die weniger gut gehärtet oder weniger massiv waren. Aber solche Plattenpanzer schützten immer noch besser, als Kettengeflecht und Gambeson. Mußten sie auch, schließlich waren die Offensivwaffen der Zeit auch weiter entwickelt, als ihre Vorgänger. Zum Beispiel hatten Pfeile Spitzen aus gehärtetem Eisen. Wahrscheinlich befinden sich Offensiv- und Defensivbewaffnung seit der Erfindung des Krieges in einem permanenten Wettstreit. Es bringt also nichts, eine Waffentechnik aus dem 13. Jahrhundert (ca. 1285 mit Statute of Winchester Verbreitung des Langbogens) gegen eine Rüsttechnik zu testen, die es schon im 11. Jahrhundert gab.
2. Die verwendeten Materialien - sprich Waffen und Rüstungen - müssen korrekt sein. Das klingt vielleicht banal, ist es aber gewiss nicht, wie jeder weiß, der unser Hobby betreibt. Und genau daran hapert es zumeist. Das mag jetzt ein extremes Beispiel sein, aber mir ist mal ein Sportbogenschütze begegnet, der davon überzeugt war, daß seine Waffe Kettenpanzer durchschlagen kann, weil es ihm gelungen ist, Coladosen zu durchschießen. Die sind ja schließlich auch aus Metall.
Mit diesem Beispiel wird klar, wie lächerlich die meisten Versuche eigentlich sind, da der Versuchsaufbau einfach nicht stimmt. Bei Beschusstests auf Kette wird oft auf den dazugehörenden Gambeson verzichtet oder wenn vorhanden, dann handelt es sich um eine bessere Pferdedecke (Gambesons im Hundertjährigen Krieg bestanden nach meinen Infomationen aus bis zu 16 Lagen Leinen die übereinandergenäht und verleimt wurden). Das Kettengeflecht stammt dann meist aus dem LARP-Versand, der Ringdurchmesser stimmt nicht, die Drahtstärke stimmt nicht, damit sind die Nieten (falls überhaupt vorhanden) viel zu winzig und vom Metall wollen wir gar nicht erst reden. Diese Ringe biege ich mit 'nem Schraubenzieher auf. Das die keinem Beschuss stand halten, brauche ich gar nicht erst zu testen.
Das gleiche gilt natürlich auch für Waffe und Projektil. Das die Zugstärken von Bögen, die man oft im Internet lesen kann, bloß auf Messungen an Nachbauten zurück gehen, hat Geoffrey ja bereits geschrieben. Aber beim Bogenschießen spielen ja noch viel mehr Faktoren eine Rolle. Gewicht des Geschosses, Härtegrad der Pfeilspitze, Beschleunigung des Geschosses, seine Geschwindigkeit beim Auftreffen auf das Ziel...die Liste lässt sich noch um Einiges fortsetzen.
3. Zu den meisten Versuchen fehlen wichtige Daten. Entweder werden sie einfach nicht gemessen oder nicht veröffentlicht. Ich meine hier Daten wie z.B. Geschwindigkeit, Gewicht, Distanz, Aufschlagwinkel, Penetrationstiefe, usw. Wenn man diese Daten nicht heraus gibt, heißt das für mich, daß man sich nicht in die Karten schauen lässt. Der Tester kann also so lange an seinem Versuchsaufbau herum doktern, bis er ein Ergebnis erhält, das ihm passt und niemand kann es nachprüfen. Bei der "Reportage" habe ich den Verdacht, daß man beweisen wollte, wie gut die Rüstung schützt und den Versuch entsprechend aufgebaut hat. Erinnerst du dich, wie locker der Schütze seinen Bogen aus dem Arm gespannt hat? Dann schau dir bitte mal folgenden Link an.
http://www.youtube.com/watch?v=VEQfoKg8ZgQDieser Mark Stratton sieht mir nicht gerade wie ein Schwächling aus und er spannt seinen Bogen mit dem ganzen Körper. Da kommt in mir der Verdacht auf, daß der Langbogen in der "Reportage" in die Kategorie Spielzeug gehört. Kann ich aber nicht nachweisen, da keinerlei Daten zum Versuchsaufbau bzw. den Testergebnissen genannt wurden.
Um mein Geschreibsel endlich zu einem Ende zu bringen: Wenn dich Beschusstests interessieren, gibt es zum Glück Besseres, als die üblichen Internetmythen und Fernsehdokus.
Wir hatten das Thema schon in unserem Forum:
www.furor-normannicus.de/cgi-bin/YaBB.pl?num=1275386182Hier ein Link zum Versuch eines Amateurs, der gute Ansätze aufweist:
www.myarmoury.com/talk/viewtopic.php?t=11131&postdays=0&postorder=asc&sta...Eine aufschlussreiche Diskussion zu dem Thema:
myArmoury.com - Arrows vs armourEin wenig nacktes Zahlenwerk:
A Commonplace Book: Armor vs. MuscleUnd schließlich ein Lesetipp:
Williams, Alan The Knight and the Blast Furnace: A History of the Metallurgy of Armour in the Middle Ages and Early Modern period History of Warfare, 12. Leiden: Brill, 2003 ISBN 90-04-12498-5.