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Historisches >> Frühmittelalter >> Meßkirch: Und jetzt bauen sie es doch
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Beitrag begonnen von Jeanne de Beaumont am 16.09.11 um 19:06:54

Titel: Meßkirch: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Jeanne de Beaumont am 16.09.11 um 19:06:54
Städtebau mit Ochsen und Muskelkraft: Nur mit mittelalterlichen Techniken soll in Baden-Württemberg eine Ortschaft mit riesigem Kloster entstehen - nach Plänen aus dem 9. Jahrhundert. Die Baustelle soll zur Touristenattraktion werden.

http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,786682,00.html

Titel: Re: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Eriol am 19.09.11 um 15:57:12
ach ja, warum nicht. unsere kassen laufen ja alle über. und bevor das schöne geld schimmel ansetzt...

Titel: Re: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 20.09.11 um 09:10:37
Ich finde das gut. Das zieht Touristen ins Niemandsland.

Titel: Re: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Uhtred am 20.09.11 um 10:49:25
Das Projekt in Frankreich hat sich ja auch bewährt und finanziert sich inzwischen selbst. Fänds gut wenn das jetzt öfter nachgeahmt wird...

Titel: Re: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Eriol am 21.09.11 um 06:50:42
gut find ichs auch. und da ist das geld sicherlich besser aufgehoben als anderswo. und ausgegeben wirds es ja eh, egal wofür und egal ob man überhaupt welches hat...  ::)

mich ärgert nur das generelle geldverschleudern wenn man derart hohe schulden hat.

Titel: Re: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 19.03.12 um 09:46:25



Zitat:
In Baden-Württemberg wird eine komplette mittelalterliche Klosterstadt gebaut - unter streng historischen Bedingungen: Maschinen und Regenmäntel sind verboten, Kaffee gibt es nicht. Forscher hoffen so auf neue Erkenntnisse über das neunte Jahrhundert.

Was machte ein mittelalterlicher Steinmetz, wenn mitten bei der Arbeit ein heftiger Frühjahrsregen einsetzte? Regenschirme sind auf Baustellen extrem unpraktisch. Polytetrafluorethylen für Goretex-Jacken war noch nicht bekannt, ebenso wenig wie Polyvinylchlorid (PVC) zur Herstellung von Friesennerzen. "Er zog sich eine Jacke aus gewalktem Loden über", erklärt Bert Geurten.

Gewalkte Lodenjacken werden also an Regentagen das Bild auf seiner Baustelle bestimmen. Die liegt bei Meßkirch, im südlichen Oberschwaben, zwischen Donau und Bodensee. Hier wird ab 2013 eine karolingische Klosterstadt entstehen - gebaut mit den Materialien und Techniken des neunten Jahrhunderts. Vom Mörtel bis zur Mauer, vom Regenschutz bis zum Speiseplan soll hier alles genau so sein wie zu den Tagen Karls des Großen. "Wir wollen so authentisch arbeiten wie möglich", sagt Geurten.

Den Plan dazu trägt der rheinländische Unternehmer schon lange in mit sich herum. Gerade einmal 16 Jahre alt war der heute 62-Jährige, als er in seiner Heimatstadt Aachen in einer Ausstellung ein Modell des St. Gallener Klosterplans sah. Der Plan vom Beginn des neunten Jahrhunderts zeigt die ideale Klosteranlage, wie der Abt Haito von Reichenau sie sich vorstellte.

Die Zeichnung widmete er seinem Kollegen Abt Gozbert von St. Gallen, der dem Kloster von 816 bis 837 vorstand. Vom Hühnerstall bis zur Kirche für 2000 Gläubige zeichnete Haito akribisch alles auf, was seiner Meinung nach eine Klosterstadt zum Leben braucht. Gebaut wurden die insgesamt 52 Gebäude nie - bis im Frühjahr 2013 die Ochsenkarren die ersten Steine auf die Baustelle im Wald bei Meßkirch ziehen werden. Um das Jahr 2050, so die bisherigen Schätzungen, könnte die Klosterstadt stehen.

Hoffen auf neue Erkenntnisse über das Leben im Mittelalter

Schon das lässt die Dimensionen des Projekts erahnen - und es ist längst nicht nur eine Touristenattraktion, sondern knallharte wissenschaftliche Arbeit. Zwölf Experten, darunter Historiker, Architekten und Archäologen, sitzen im wissenschaftlichen Rat der Klosterstadt. Ihre Aufgabe ist es, sowohl die Handwerker zu beraten, als auch aus deren Erfahrungen zu lernen.

Derartige Experimente versprechen seltene Einblicke in das Alltagsleben vergangener Jahrhunderte. Wie die Menschen vor langer Zeit ihre Häuser bauten, ihr Essen zubereiteten oder ihre Kleidung anfertigten, ist heute oft nur noch auf eine Art herauszufinden: Man muss es ausprobieren. Dank der experimentellen Archäologie wissen Forscher etwa, dass antike Leinenpanzer so gut schützen wie Kevlar-Westen, wie in der Bronzezeit Bier gebraut wurde oder wie Steinzeitmenschen scharfe Klingen herstellten.

Das neunte Jahrhundert - also jene Zeit, die das Projekt "Karolingische Klosterstadt" nachempfinden soll - ist besonders interessant für solche Experimente. Denn aus der Periode vor 1100 bis 1200 Jahren haben, anders als etwa aus dem Hochmittelalter, nur wenige Schriften die Zeit überdauert. "Unser Ziel ist es nicht, am Ende eine Klosterstadt zu haben", betont Geurten, "sondern sie zu bauen".

Das erste Gebäude wird eine kleine Holzkirche sein. "Natürlich haben sie im Mittelalter nicht gleich als erstes die große Steinkirche gebaut", erklärt der Unternehmer. Die Handwerker wollten bei damaligen Bauprojekten nicht mit dem Beten warten, bis die Steinkirche fertig war. Deshalb zimmerten sie eine einfache Holzkirche als Übergangslösung, bis die Klosterbewohner Jahrzehnte später in den steinernen Prachtbau umziehen konnten.

Mittelalterliche Bedingungen für Handwerker und Besucher

Die Karren mit den Steinen werden in Meßkirch Hinterwälder Ochsen ziehen. Diese Rasse kommt mit 115 bis 125 Zentimetern Widerristhöhe bei einem Gewicht von 380 bis 480 Kilo den kleinen Arbeitstieren aus der Zeit Karls des Großen am nächsten. "Sie stammen von den Keltenrindern ab", sagt Geurten.

Nicht nur die Handwerker müssen sich auf mittelalterliche Bedingungen einlassen, sondern auch die Besucher. Geplant ist, sie vom Parkplatz aus zunächst einen längeren Weg laufen zu lassen, bis sie auf die Baustelle gelangen. "Sie sollen eine Zeitreise machen und die Gegenwart dabei zurücklassen", sagt Geurten. Wenn sie dann der Hunger überkommt, wird es in der Klosterstadt nur das geben, was im neunten Jahrhundert auf der Speisekarte stand. "Die Kartoffel war unbekannt", sagt Geurten. Frittenbuden mit Pommes wird man deshalb vergeblich suchen. "Und auch Kaffee wird man bei uns nicht trinken können." Alles, was die Handwerker und Gäste verzehren, muss zuvor dem Boden rund um die Baustelle abgetrotzt werden.

Dass Besucher sich von einem so strikten Konzept nicht abschrecken lassen, zeigt die Burg Guédelon. Im französischen Burgund errichten Bauleute mit mittelalterlichen Techniken die Burganlage aus dem 13. Jahrhundert - und ziehen jedes Jahr Besucherströme im sechsstelligen Bereich an. "Die Befragungen der Besucher in Guédelon haben gezeigt, dass sie im Schnitt alle drei Jahre wiederkommen", erklärt Geurten. "Sie wollen die Burg wachsen sehen, wollen den Fortschritt mitverfolgen."

So wünscht er es sich auch für seine Klosterstadt, und das nicht nur aus ideellen Gründen: Die Startfinanzierung von rund einer Million Euro aus den Kassen von Stadt, Landkreis und der EU reicht nur für die ersten Jahre. Danach muss sich das Projekt selbst tragen.


Titel: Re: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 19.03.12 um 09:47:26

Zitat:
Ein freies Wochenende in acht Monaten

Entsprechend knapp bemessen ist der Verdienst der Handwerker. "Der Nettolohn liegt etwa bei 1200 Euro", sagt Geurten. "Mehr kann ich nicht zahlen". Auch die Arbeitszeiten sind nichts, was moderne Gewerkschaften mit sich machen ließen. Gearbeitet wird vom 2. April - dem Geburtstag Karls des Großen - bis zum Martinstag am 11. November, und das nahezu durchgehend. In den acht Monaten gibt es nur ein einziges Wochenende frei. "Am Martinstag wurde im Mittelalter immer die Pacht fürs Jahr fällig", erklärt Geurten. Danach ist Winterpause auf der Baustelle, bis im April die Temperaturen wieder hoch genug sind.


Trotzdem kann das Projekt sich vor Bewerbern kaum retten. "Allein 85 Steinmetze haben sich bei mir beworben", sagt Geurten. "Sie träumen alle davon, ihren Beruf einmal nur mit den Händen ausführen zu können." Das gilt auch für die Schmiede. "Da wird keiner kitschige Hufeisen für Touristen hämmern. Die Schmiede müssen die Baustelle mit Werkzeugen versorgen."

Insgesamt bietet die Baustelle Platz für 20 bis 30 Festangestellte. Dazu kommen die freiwilligen Helfer. Auch da sei das Interesse gewaltig: "Vom Lufthansapiloten bis zur Lehrerin haben sich hier schon alle möglichen Menschen beworben." Ein Bewerber habe sein Arbeitsgesuch sogar im mittelalterlichen Deutsch auf einer Rolle echtem Pergament geschickt. Auch Schulklassen sollen auf der Baustelle mitschuften dürfen - bis zu einer Woche lang. "Wir entwickeln ein Konzept, mit dem die Kinder den Aufenthalt schon vorher im Unterricht vorbereiten können", sagt Geurten.

Etwa 40 Jahre werden vergehen bis zur Setzung des Schlusssteins an der Klosterkirche. Geurten wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr leben. Doch das ist ihm egal: "Ich möchte nur in der Krypta als Gründervater eine Gruft bekommen. Da können sie dann kommen und Kerzen für mich anzünden."


Quelle

Titel: Re: Meßkirch: Und jetzt bauen sie es doch
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 11.04.12 um 14:21:31
[media width=480]http://www.youtube.com/watch?v=8SpTqSFv7jM&feature=youtu.be[/media]

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