Seit einigen Jahren scheint sich der Trend zu manifestieren, bei Ambientemärkten und Stadtfesten ein Themenjahr dazu zu schreiben. Offenbar soll dieser Handgriff dem Geschehen mehr historische Relevanz verleihen - und macht sie damit nur noch ärgerlicher für Historiker und Re-enactors.

Zwei besonders üble Beispiele sind für mich "Anno 1147" (Eigenwerbung: "Zeitreise in die Ära des Zweiten Kreuzzuges", Zeitungsartikel) in Datteln und "Anno 1280" in Gütersloh. Beide Feste nehmen für sich in Anspruch, besonders nah an der Geschichte zu arbeiten - und haben beide mit Mittelalter rein gar nichts zu tun, sondern bieten nur die allerorten übliche Volksfest-Gaudi.

Anhand dieser Veranstaltungen wird mir immer ganz besonders deutlich, daß sich die Veranstalter einen feuchten Staub um die historischen Tatsachen kümmern. Kommerz muß es sein, und billig dazu, und Recherche? Die kostet Zeit und Geld, und "der Besucher ist eh zu doof und merkt das nicht". Also wird dummdreist trotz klar definierter Zeitstellung wieder nur das übliche geboten, und dazu brüstet sich die Orga noch, den Besucher in ebenjene Zeit zu entführen... da wird mir schlecht.

Bin ich zu kritisch?

Ganz sicher nicht, denn es ist Mogelei. Das es Publikum gibt, welches in der Lage ist, den Unterschied zu erkennen, haben wir u.a. in Quakenbrück und Dorstadt erlebt. Selbst Anrath war diesbezüglich interessant, da es eine Art Hybrid aus beidem mit starker "Mittelaltermarkt"-Schlagseite war. Es gab mehrere Besucher, die sich über die Lager im Park sehr positiv geäußert haben, da dies einen Gegenpol zum üblichen Kram bildete, den das Publikum jedoch zum Teil schon aus den hiesigen Weihnachtsmärkten kannte.

Zu kritisch.. nein, aber ich frage mich, woran es wirklich liegt.
Desinteresse an wahren historischem Hintergrund und möglichst viel Geld mit wenig Aufwand zu machen, oder haben die Veranstalter einfach keine Zeit und Mittel um dem Publikum eine historisch genauere Darstellung zu bieten.

Aber wer bei Anno 1147 auch da war, ist euch schon aufgefallen, oder? ...  :D

http://www.anno1147.de/images/galerie/10/IMG_8108.JPG

@ Jeanne: Schön, daß es wenigstens noch ein paar darstellerische Glanzpunkte gab.

@ Bernhard: Die meisten Städte lassen solche Feste von Werbe- oder Eventagenturen organisieren. Die interessieren sich überhaupt nicht für die Geschichte, sondern nur für PR und Geld.

Wenn ich mich mit Leuten unterhalte, die selber auf solche Veranstaltungen gehen und betone dass das, was ich unter Mittelalter verstehe und nicht mit diesen Veranstaltungen kompatibel ist, werde ich auch oft gefragt warum ich den Leuten denn nicht ihren Spaß daran lasse. Oft wird das ganze noch mit der Bemerkung versehen, das Personen die kistorisch korrekt arbeiten (wollen), sich anscheinend für etwas besseres halten, da ihre Aussagen (oft) von oben herab klingen.
Tatsächlich bin ich der Meinung, das die "A-Fraktion" auch einen Grund für die Ablehnung von Fantasy-Veranstaltungen (Schwerter, Pferde, Rüstungen und Bögen sind alleine eben kein Mittelalter, wenn dann mittelalterlich anmutend im umgangssprachlichen Sinne.) haben, besonders wenn diese mit einem Historischen Datum werben: Die historischen Darsteller sind ja gerade daran interessiert solche tatsächlichen historischen Aspekte genaues möglich  darzustellen. Wenn ihnen das dann genommen wird, ist ein Unmut darüber verständlich.
Das ist in etwa so, als wenn die Veranstalter des Events  "unsere Umwelt 2011" eine Gruppe Umweltschützer zur Veranstaltung einladen, wo diese dann einen Streichelzoo mit Ziegen beaufsichtigen und leiten sollen. Als weitere Attraktionen werden dann Etnoartikel angeboten, eine Pseudo-Hippieband trällert die Top 10 der 60iger Jahre im Techno- oder Metallstyle und ein Zirkus stellt mehrere Tiernummern vor.   

Wie seht ihr das?
         

Ich finde sowas einfach nur zum Kotzen, ..auf gut Deutsch.
Klar können und sollen die ihr "Mittelalterhobby" leben und machen wie sie wollen. Aber nicht auf solchen VA´s, den ich kenn solche Typen genau, die machen dann z.t. den Erklärbar und vermitteln ein Geschichtsbild....ich denke da müssen wir nicht drüber reden.
Für mich haben Gemeinen, Städte etc., wenn sie sowas durchführen eindeutig einen Bildungsauftrag, oder sie sollen sowas mit "Volksfest - Spektakel" etc. bewerben und gut.
Die Crux ist eben, das keine Stadt an sowas denket..Reibach machen eben und gut. Oft kommen solche Darsteller dann auch an so Jobs durch Kontakte, habe sowas oft erlebt - "Bruder ist bei der Stadt usw. - macht da mal euer Mittelalter". Zack sind die da, hab sowas auch schon bei Museen erlebt....nene...also net Aufregen, machen kann man da nichts. Evt. nur einen netten Brief mit viel Kritik an die Stadt und sich denen als Beratung für kommendes anbieten.....wenn der überhaupt gelesen wird.

...Thats it

Hallo,
Kritisch?. Nein. Objektive Berichterstattung nenn ich sowas. Da ihr euch ja schon über einen sehr langen Zeitraum mit dem Thema befasst und dazu auch noch kompetent seid und gut rescherschiert ist das nicht als Kritik zu bewerten.
Ihr bzw. wir tragen ja dazu bei das eine Aufklärung über die Zeit des Mittelalters statt findet und nicht eine Verklärung.
Man muß auch mit solchen Aussagen wie deiner sich damit auch ganz klar von dieser Verklärung distanzieren.
Also war das richtig was du gesagt hast. Gut.
Viele Grüße, Markon.

Noch so ein Kandidat:

http://www.lokalkompass.de/iserlohn/leute/vor-975-jahren-in-letmathe-d78288.html

"So sah das damals halt aus"

*seufz*

Da juckt es einem echt in den fingern einen entsprechenden Kommentar drunter zu schreiben. -.-

Cool! Bei der nächsten Veranstaltung darf ich wieder meine T-Shirts tragen. Äh,sorry, T-Shyrts muß es ja heißen...  ;D

Zitat:

Als Vorlage diente eine Haube, die auf einem Mittelaltermarkt erstanden wurde. Die Röcke und Schürzen entstanden gar „frei Schnauze“

fundierte Quellenrecherche.. die Männer tragen dann bestimmt die normannischen Lendenschurze.

Dann passend zu den Schürzen in babyblau-gestreift?  :D

Aber mal Tachles,

die Mutties sind doch niedlich. Das Dörfchen hat Jubiläum und alle wollen ein Straßenfest mit Geschichtsanstrich feiern und schmeißen sich dafür in Kostüme. Die Hausfrauengang an der Nähmaschiene hat sich dafür extra ihrem Wissenstand gemäß informiert und die "Fachleute" auf dem Mittelaltermarkt interviewt und die dort entstandenen Kreativideen werden im heimischen Wohnzimmer dann direkt an Karl-Heinz und Horst-Beppo ausprobiert. Und selbst sind sie sich scheints dafür auch nicht zu schade, auf dem Dorfrummel mit Nachthäubchen herumzulaufen. Das wird wohl einfach ne nette Party mit Augenzwinkern.

Und mal im Ernst: Die Damen sind weitaus besser gekleidet, als manches, was sich meinem ermüdeten Auge auf sogenannten "historischen Festen" und "mittelalterlichen Veranstaltungen" zuvor schon geboten hat. In dem Aufzug gehen die mit ein bisschen Sinn für die Feinheiten doch glatt für 19. durch. Lassen wir ihnen den Spaß.  [smiley=beer.gif]

also diese Tanten sehen zwar zum schießen aus, aber ich finde das okee, da es keine KommerzVA ist wo Leute noch Eintritt blechen müssen, was dann ja reine Verarsche wäre.
Dazu kommt, dass die für wohltätige Zwecke sammeln, bzw. ihre Sachen verkaufen und dem örtlichen Hopiz spenden...
man sollte bei manchen VAs die authentische Kirche echt mal im Dorf lassen

Stimmt schon, mit dem guten Zweck, und gegen die Omas und ihren Faschingsanzug habe ich auch gar nichts.

Mich störte eher der Satz: "Im großen Letmather Festkomitee einigte man sich darauf, dass alle Facetten des Lebens vor 975 Jahren abgedeckt werden sollen." ;)