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Beitrag begonnen von Ares Hjaldar de Borg am 13.11.10 um 17:18:00

Titel: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 13.11.10 um 17:18:00

Zitat:
Wer ist eigentlich dieser nach nationalen Wurzeln suchende Zuschauer, der da durchs Fernsehprogramm surft? Im ZDF versucht Guido Knopp mit "Die Deutschen II" Antwort zu geben. Und Sat.1 bietet ihm den Ken-Follett-Schinken "Säulen der Erde": Sinn? Egal! Nur schön muss es sein.

Da raunt sie wieder, die ächzende Stimme des TV-Sprechers Hans Mittermüller, und versucht, die schwellende Filmmusik mit pathetischen Sätzen zu überschwallen: "Wie wir wurden, was wir sind". Au weh, wie viele W's. Au weh, schon wieder Festspiele unter der Ägide des ZDF-Chefhistorikers Guido Knopp, auch wenn die jetzt unter dem Titel "Die Deutschen II" zu sehen sind und mit neuen Hauptdarstellern antreten: Von Samstag an in fünf Doppelfolgen um 20.15 Uhr und 21.00 Uhr auf ZDFNeo, in Einzelausstrahlung sonntags um 19.30 Uhr und dienstags um 20.15 Uhr im ZDF. Starring jetzt: Karl der Große, Friedrich II., Hildegard von Bingen, Karl IV., Thomas Müntzer, August der Starke, Karl Marx, Ludwig II., Rosa Luxemburg, Gustav Stresemann.


Neue Besetzung, alte Skepsis. Wer ist eigentlich der Wir, der zu Beginn jeder Folge mit dem Lasso eingefangen werden soll? Dieser Identitätsfreak, dieser nationale Wurzeln suchende Wurzelsepp, der längst ein durch die Programme surfender Zap(per) geworden ist?

Der erfahren hat, dass Geschichte im Fernsehen eine rechte Spaßbremse sein kann. Ach, wie oft wird im Gestern gestorben, wird gescheitert, ist alles schwer vergänglich, besonders der Ruhm. Dazu kommt im historisch seriösen Genre die Absicht der Autoren, der Zuschauer solle etwas aus der Geschichte lernen. Bloß was? Zerknirschung über frevelhafte Ahnen oder Stolz auf Tradition? Dankbarkeit, in besseren Zeiten zu leben, oder Trauer angesichts vertaner Chancen? Unterhaltungsverweigerung scheint programmiert, wenn das historische Fernsehen nicht so seicht wie möglich serviert.

Freies Baden in gestrigen Bildern

Wieder einmal führt die unsichtbare Hand des konkurrierenden Fernsehmarktes zu einer zeitnahen Konfrontation der Historienanbieter. Da gibt es die Guido-Knopp-Powerpoint-Beschulung im Leistungskurssound: Achte darauf, welchen Beitrag Karl der Große für die deutsche Identität geleistet hat! Nachher wird abgefragt.

Etwas später lockt das freie Baden in gestrigen Bildern. Sinn ist egal, nur schön muss es sein. Vom 15. November an lässt Sat. 1 mit der 18-Millionen-Dollar Verfilmung des Ken-Follett-Schmökers "Die Säulen der Erde" Ritter, Tod und Kirchenteufel auf den Bildschirm los. Dazu vier lange Teile lang Schwerterklirren, Kathedralenbauen, Foltern, lecker Hexen (Natalia Wörner pinkelt vom Tisch herab wider fiese Priester). Mittelalter als Mittel zum Selbstzweck. Nichts ist zu lernen, es kann einem erkenntnismäßig angenehm wurst ums Herz werden. Was, wieso, welcher König und welcher Graf Mitte des 13. Jahrhunderts Ritterräuber und Edelmanngendarm spielte - ziemlich egal und absolut identitätsirrelevant. Hauptsache, des modernen Menschen Fernsehklischees werden ins Mittelalter gespiegelt, wozu der Biedersinn der Soapwelt gehört, dass nur die Liebe zählt und der Optimismus des Fortschritts Grundlage des Lebens in allen Epochen gewesen sei.

Nur nebenbei gesagt: Optimismus war nicht das Zeitgefühl des Mittelalters. Man fühlte sich als Epoche des Niedergangs und hielt die Zeit eines Endes der Geschichte für nah. Die Liebe, vor allem solche, die Standesgrenzen überwindet und in der Ehe endet, war weitgehend unbekannt. Nur in der Sphäre beamteter Minnesänger experimentierten literarische Feingeister mit den poetischen Folgen eines die Sozialgrenzen sprengenden Gefühls. Ein Dienst am Wort, nicht an der Wirklichkeit.

Der Zuschauer mag das nicht so gerne sehen. Er fremdelt. Das Andersseins einer anderen Zeit macht Erschrecken, keine Selbstsicherheit.

Friedrich Nietzsche hat erkannt, dass alle Geschichte mit dem Leben und den Gefühlen der die Vergangenheit Beobachtenden zu tun hat. Schwächlinge, schrieb er in seinem Essay "Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben", würden sich am Antiquarischen berauschen, Einsame sich in der Vergangenheit Denkmäler suchen, weil die Gegenwart ihre Größe nicht abbilden könne. Nur das Kritische sei richtig: Her mit dem, was man für die Bewältigung der Gegenwart braucht, den Rest in die Tonne.

Gemeißeltheit in Geschichtsmarmor

"Die Deutschen II" ist zum Vergleich mit dem Schmökerverwerten eine ziemlich altmodische Form. Wer zusieht, wie andächtig Karl der Große als Karl der Kleine sich vom Herrn Papst auf die Idee einer Einheit von weltlicher und geistlicher Macht den Ring küssend verpflichten lässt, kann in Werner Biermanns Film eine moderne Sehnsucht nach Gradlinigkeit und Wertebefolgung vermuten. Selbst Karls brutaler Kampf gegen die Sachsen erscheint in dem Beitrag nicht nur als blinde Eroberungssucht, sondern als Befolgung eines inneren Auftrags, das Christentum auszubreiten.

Auch dem sächsischen Widerstand gegen die Auslöschung des Germanenstamms durch Karl, die mit der erzwungenen Taufe des Obersachsen Widukinds 785 endet, gewinnt der Film weiterführende tröstende Aspekte ab als Vorraussetzung für das Zusammenkommen in einer späteren deutschen Nation. Zufall, Verzweiflung, Erfahrung von Sinnlosigkeit und Willkür lässt der Film selten zu. Es ist in dieser Art der TV-Geschichtsschreibung die (Alt-)Klugheit der Spätergeborenen zu spüren, die wissen, wie die Sache ausgegangen ist. Solche Ex-Post-Sicherheit führt nicht wirklich hinein in die Untiefen der Geschichte, in das Live-Erlebnis Historie, wo insbesondere eine junge Generation die Offenheit einer Epoche erfahren will. Schließlich ist ihr Leben in der Gegenwart nicht von Sinn überflutet, sondern von Unüberschaubarkeit.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 13.11.10 um 17:20:25

Zitat:
An der ersten Staffel der "Deutschen" wurde bereits das Pathos der Machart kritisiert. Die Versessenheit auf erlesene Bilder im Fackelschein, auf technisch ziemlich perfekte Simulationen von Landschaft und alter Stadtkulisse mit einer besonderen Leidenschaft für Vögel, die computeranimiert auffliegen. Die pointenbewusste und gepflegte Sprache des Kommentars resultiert hörbar aus der Sehnsucht, dem heutigen Talk-Gequassel zu entkommen. Sie liebt lakonische Kürze, die Gemeißeltheit in Geschichtsmarmor, auch die wissenschaftlichen Fachleute müssen sich kurz fassen. Die Knopp-Geschichtswelt tendiert zu einer Art unwandelbarer Geschichtsklassik. Zweifel sind unerwünscht, Quellenunsicherheit auch oder gar das Referieren unterschiedlicher historischer Sichtweisen. Es würde, so denken wohl die Macher, den Zuschauer wichtige Zeit kosten, ihn auf Umwege schicken und Verdacht schöpfen lassen, es könnte alles auch anders gewesen sein als dargestellt.

Die mediale Projektion dieser Art Fernsehen besteht in selbsterzeugtem Rhythmus, in der Sorge, bloß nicht aus dem Takt des Mediums zu kommen, aus dem, was alles Fernsehen prägt und von Sankt Niklas Luhmann, dem Großsoziologen, Selbstreferentialität getauft wurde: Das Liebste, was das Fernsehen tut, ist das Sich-selbst-angucken und alles dunkel zu lassen, was nicht zu Fernsehen gemacht werden kann.

Doch auch das Knoppsystem ist lernfähig. "Die Deutschen II" verabschiedet sich vom strikten Kurs der alle Porträts überwölbenden Gesamterzählung: Deutschland entsteht irgendwie in allen historischen Helden. Der Bauernrebell Thomas Müntzer (Autor: Martin Carazo Mendez) zum Beispiel endet in der TV-Darstellung als tragische Gestalt, als allen Lebenskontakt verlierender theologischer Außenseiter und man weiß als Zuschauer nicht, ob hier eine Gnade der Geschichte geschah oder eine Gemeinheit. Die gleiche Ambivalenz gilt auch für Ricarda Schlosshans Darstellung der Biografie von Rosa Luxemburg: 1919 wird eine Revolutionärin erschossen, die aus der Epoche zu fallen drohte. Da ist einem deutsche Identität egal, da kommt nichts wie Mitleid auf.

Und man sieht sich bestätigt. Geschichte ist Spaßbremse. Aber man kann sich nicht immer nur zu Tode amüsieren.


Quelle

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Nina am 14.11.10 um 00:32:57
wir haben 1, II gesehn und gekotzt... da ist die schlechte Ausstattung nur das oberflächliche Brennen dieses miserablen Hirnf***s

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 16.11.10 um 08:39:56
Zum Thema "Säulen der Erde":

"Die Säulen der Erde", die Soap aus dem MittelalterIntrigen, Hinrichtungen und Zweck-Ehen – Sat.1 zeigt Ken Folletts "Die Säulen der Erde" um den Bau einer Kathedrale im düsteren Mittelalter. welt.de

Die Kommentare (der Film soll 1135 spielen):


Zitat:
Gestern im ORF den ersten Teil gesehen, heute gehts weiter. Echt gut gemacht und das düstere, feuchte, dreckige frühe Mittelalter kommt sehr autentisch rüber. Genauso könnte es gewesen sein.



Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Jeanne de Beaumont am 16.11.10 um 09:53:44
Also, liebe Nina, ich habe Dich selten derart kräftige Worte über andererleuts Darstellungen von historischen Zusammenhängen sagen hören! Nachdem ich dann vorgestern in die Doku mal hineingehört habe, weiß ich auch warum...  [smiley=sad.gif]

@ Ares: Ich hab den Anfang gesehen... Frag nicht!  :-X

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 16.11.10 um 11:50:55
Wie ich von Arbeitskolleginnen gehört habe, kam nach dem Film noch eine Dokumentation über das Leben im Mittelalter, in der man sich (natürlich) mit "dem Ritter" befasst hat. U.a. wurde ein Ritter eingekleidet und sollte dann eine Art Parcourt bewältigen. Nach dem, was ich gehört habe, klang das alles sehr allgemein und wie üblich wurde es ohne Quellenangaben verabreicht.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 16.11.10 um 11:56:17
Hab's gefunden. Werde mir das Machwerk heute nach der Arbeit ansehen.

http://www.sat1.de/die-saeulen-der-erde/video/ganze-folgen/clip_das-mittelalter-ritter-auf-probe-das-experiment_36004/


Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Benny am 16.11.10 um 12:43:55
Habs gestern gesehen. (den Anfang zumindest)
Gruselig!

Die Klamotten, die sie dem Jungen gegeben haben, gehen ja noch halbwegs.

Aber der Stuss, den sich die "Experten" da zusammengefaselt haben tat echt weh.

Sicher, die Bundhaube wurde immer und überall getragen und war pflicht... natürlich.
Plattenrüstungen wurden nur in turnieren getragen, im Krieg nur der Kettenpanzer.

Dann wieder das alte märchen vom halbverfaulten Fleisch, dessen übler Geschmack mit gewürzen überdeckt werden musste.

Das der Topfhelm primär beim Lanzenanritt getragen wurde und die meinsten Ritter sich des Dings im Handgemenge schnellstmöglich entledigten hat den Kindern offenbar genausowenig jemand gesagt, wie dass eine Rüstung passen muss. (den Einwand des Probanden, dass er seine Hände nicht aneinanderführen kann, weil das Zeug so eng ist hat man geflissentlich überhört.

Dann noch ein Waffentest: Hochmittelalterliche Rüstung, Englischer Langbogen, ich verstehs nicht...
Morgen wird wahrscheinlich ein Wikingerschild gegen eine AK47 getestet...

Auch von Strohsäcken hat den kleinen möchtegernexperten niemand was erzählt. Dafür schläft der "knappe" auf einer Menge Felle für deren Gegenwert du selbst heute noch nen zweiten Ritter ausrüsten könntest.

Die Kleidung des "koches" hat ziemlich deutlich gemacht, auf welchem Niveau sich die gruppe normalerweise bewegt. Da hat man für das equipment des Knappen wohl mal schnell 5 minuten TV-Recherche betrieben.

Für den lustigen Parcours will ich auch mal das historische Vorbild sehen, abgesehen davon dass ein Lehrmeister des Hochmittelalters niemals jemanden über sowas geschickt hätte, der sich vorher nicht aufgewärmt hat, und den Härtegrad langsam gesteigert hätte. Ein Training, das einen nach 20 Minuten Kraftlos zurücklässt ist NUTZLOS! Wir sind doch hier nicht bei Dragonball!

Als der Pathetische Offsprecher uns das Märchen von der miserablen Ernährung des einfachen Volkes erzählte, und verdreckte, lumpengekleidete Kinder mit traurigen, tränenden Gesichtern in die Kamera schauten, in der Hand den "Harten Kanten Brot", der ihre einzige Mahlzeit an diesem Tag darstellte, wie uns der Sprecher mitteilte, habe ich den Fernseher ausgeschaltet, um ihn nicht aus dem Fenster zu werfen, was sonst eindeutig geschehen wäre.

Leute, wenn ich keine Ahnung hab, dann halte ich die Fr**se und posaune nicht im Fernsehen irgendeinen Schwachsinn vor mich hin!

Und ich darf jetzt wieder meinem gesamten Umfeld erklären, dass DAS nicht mein Hobby ist.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Krischan von der Brauck am 16.11.10 um 19:09:17
Da sag ich nur:

http://www.youtube.com/watch?v=Uer32lOcGxc

Bis dann,
Krischan

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 16.11.10 um 20:27:35

Benny schrieb am 16.11.10 um 12:43:55:
Plattenrüstungen wurden nur in turnieren getragen, im Krieg nur der Kettenpanzer.


Ganz schön große Turniere hatten die damals.  Zum Beispiel in der Schlacht von Barnet... muß ja ein toller Spaß gewesen sein :P



Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 17.11.10 um 06:03:01
Da sind einige echte Klopper in dem Beitrag. Ein paar Ausrüstungsgegenstände sehen ebenfalls unhistorisch aus. Ansonsten wird wieder viel verallgemeinert und möglichst reißerisch dargestellt.

Ach ja, zum Training noch: Da keinerlei Quellenangaben genannt wurden, kann man davon ausgehen, dass dieses "original Rittertraining" frei ausgedacht ist. Mit Stuntfrau als "Eimpeitscherin" kam es auch ziemlich klischeehaft rüber, eher wie US Boot Camp.  ::) Aber für einen Newbie hat sich der Testkandidat achtbar geschlagen, fand ich.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Nina am 17.11.10 um 14:29:39
ja ich bin normalerweise ja auch nicht so... aber diese angebliche Bildungsfernsehen ist echt für den Arsch.... sowas wie die Ritterdoku war da sogar tausendmal besser, weil Unterhaltungsfernsehen... aber bei ZDF bieten die ja sogar Lehrermaterialien an

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Jeanne de Beaumont am 17.11.10 um 16:29:35
Bei der Mittelalter-Doku auf Sat 1 nach den Säulen wundert mich spätestens jetzt eh nüx mehr... da fällt ein Name, das müßten sie sein:
http://www.askanier-berlin.de/

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Waldschraat am 17.11.10 um 16:53:25
Die hatte ich mir ja auch noch angesehen. Ich war ja baff,dass die dem Kerl da Beinlinge und Brouche angezogen haben und nicht eine Lederschnürhose und ein Piratenhemd.

Also das muss ich der ganzen Sache zu gute halten. Und, das Kettenhemd war vernietet.

Aber die Frau war ja wohl eine Schleiferin und dieser bekloppte Parkour...  ;D

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Æthelweard am 17.11.10 um 20:10:26
Den Parkour als solchen fand ich nicht mal so schlecht. Balance, Schnelligkeit bzw. Schnellkraft und Beweglichkeit sind alles Dinge, die im Kampf wichtig sind und die durch das Gewicht einer Rüstung beeinträchtigt werden. Daher macht es schon Sinn, dies zu trainieren. Nur fehlt dem Parkour halt jede historische Grundlage und das stößt einem dann wieder sauer auf.

Die Faszination am Thema Ritter als ausgebildeter Kämpfer kam gut rüber. Auch der Spaß am Ausprobieren, den wir alle an unserem Hobby so schätzen. Umso entäuschender ist es, wenn dann die üblichen Fehler und 0815-Klischees aus der Grabbelkiste auftauchen.  :'(

Wie sagte schon einer meiner Lehrer: Getretener Quark wird breit, nicht stark.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 18.11.10 um 06:15:07

Jeanne de Beaumont schrieb am 17.11.10 um 16:29:35:
Bei der Mittelalter-Doku auf Sat 1 nach den Säulen wundert mich spätestens jetzt eh nüx mehr... da fällt ein Name, das müßten sie sein:
http://www.askanier-berlin.de/



Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Siegbert am 18.11.10 um 13:00:47
Auf die Gefahr hin mich unbeliebt zu machen:
ich find die "Deutschen" Dokus ziemlich gut... nicht unbedingt, was die Ausrüstung angeht, oder die historische Genauigkeit; aber ich find die Machart toll.
Wenn ich es mit Dokus aus früheren Jahren vergleiche, hatte man nur dröge Kamerafahrten, die irgendwelche Kirchen oder Museumsstücke zeigen, und einen Sprecher, der die Geschichte einfach erzählt.

Hier sind es jetzt aufwendige Spielfilmszenen mit ausgewählten Sprechereinsätzen und moderner 3D Technik, was für mich einen hohen Unterhaltungswert hat.

Über die Auswahl der Themengebiete, die Genauigkeit kann man streiten. Ich glaube aber, dass die Dokus ihren Zweck erfüllen unbedarfte Zuschauer an ein Thema heranzuführen, das sie bis dato trocken und wenig spannend fanden. Wenn das Interesse erstmal geweckt ist, ist es kein großer Weg mehr ein Buch in die Hand zu nehmen und sich noch tiefer mit den Themen zu beschäftigen...

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 18.11.10 um 13:27:42
Ok, um das mal zu visualisieren wie diese Dokus auf mich wirken, hier mal ein fiktives Beispiel:

"Heute die Doku: Hitler gegen Churchill. So war das Leben in der Neuzeit.

Erste Einstellung: Hitler, ein dicker Mann mit einem Schnäuzer in einem braunen Hawaiihemd, das überall mit fünfzackigen Hakenkreuzen geschmückt ist, gibt seinen Soldaten, die alle schmutzig und abgerissen aussehen und Pickelhauben, Wehrmachtshelme und napoleonische Tschakos tragen, den Befehl, Polen anzugreifen. Er selbst fährt im Panzer durch den Kunsteisnebel und schlägt Frauen und Kinder nieder.
Zweite Einstellung: In London, es regnet und Churchill sitzt in einem Frack mit Melone und Zigarre beim Tee. Zwei Männer, die aussehen wie eine Palastwache im roten Rock und Bärenfellmütze, und ein Mann im Sherlock Holmes Kostüm, berichten ihm, daß Hitler Polen überfallen hat. Churchill greift seine AK-47, stellt sich auf die Tower Bridge und ruft das Volk von London, das gekleidet ist wie in einem Mary-Poppins-Film, zum Krieg, wobei er etwas von "Blut, Schweiß und Cola" erzählt.
Dritte Einstellung: Amphibienpanzer der US-Marine aus dem Vietnamkrieg fahren im Kunsteisnebel auf eine Küste zu, wo sich die Deutschen eingegraben haben. Die Amerikaner, die Wüstentarnhosen aus dem Golfkrieg und Tellerhelme tragen, stürmen mit ihren M-60 Maschinengewehren die Atombunker.
Vierte Einstellung: Churchill mit Rambo-Stirnband und britischer Flagge stürmt im Kunsteisnebel Berlin und erschießt Hitler nach einem dramatischen Boxkampf."

So in etwa wirken diese Sachen auf mich...  ;)
Ich glaube, die allermeisten Zuschauer schauen danach nicht in ein Buch, sondern übernehmen die Fehlvorstellungen einfach.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Siegbert am 18.11.10 um 14:13:03
Ok, von der Ausrüstung mal abgesehen... (wobei ich auch schon genug ältere Filme und Dokus gesehen hab, in denen anachronistische Ausrüstungen im 2.WK vorkamen; allerdings für den Laien nicht so offensichtlich)

Die meisten Leute haben vom Mittelalter eine sehr diffuse Vorstellung, würde ich sagen... wie die Herrscher geheißen und was sie so getrieben haben, war in der Regel ziemlich ähnlich, und wenn man dann so eine Doku nutzt um, auch gerne mit pathetischen Szenen (zB. Heinrich IV. empört sich lautstark über die Zurechtweisung durch den Papst), dem unbedarften Zuschauer so ein Kapitel aus einer Zeit, über die man so gut wie keine Kenntnisse aus dem Schulunterricht mitgenommen hat, darstellt, prägt sich das bildlich ein und man hat einen hellen Punkt im der Dunkelheit des Verständnisses dieser Epoche.
Weil das allein noch kein konkretes Wissen darstellt, aber Interesse auf einmal da ist, wird man ins Netz gehen, den Namen googlen und schon mal ein bisschen mehr erfahren. Also ich find das nicht schlecht....

das mit der Ausstattung ist wirklich etwas komisch. Vorallem, weil sie immer damit angeben mehrere Historiker im Team gehabt zu haben, die ihnen auf die Finger schauen.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 18.11.10 um 14:59:38
Deutsche Dokus sind so gut wie immer mies ausgestattet, triefen immer von Moralin, und brechen Geschichte auf verzerrend einfache Thesen herunter. Ich bin nicht begeistert davon.

Wie man es besser machen kann, hat zum Beispiel Mike Loades mit seiner "Weapons that made Britain" Serie gezeigt.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Eriol am 24.11.10 um 00:51:47
man muß immer eins bedenken: diese sendungen werden nicht produziert um aufzuklären oder bildung zu vermitteln. sondern um einschaltquoten zu bekommen und den damit verbundenen werbeeinnahmen.
das ist alles was interessiert.
auch der zuschauer möchte niemanden sehen der erzählt wie es gewesen sein könnte und wie er denn zu seinen thesen gekommen sei und dabei gar noch andere möglichkeiten einbringt, vor allem wenn sie fremdartig sind. das verwirrt den zuschauer und zwingt ihn mitzudenken.
laaangweilig!
der zuschauer will unterhaltung und klare aussagen, und es ist ihm egal ob sie stimmen oder nicht. hauptsache es sind schöne bilder und große emotionen.
das hat auch sicherlich seine berechtigung, nur ärgerlich das solche unterhaltung unter dem deckmantel von bildung betrieben wird.

schade.

ich schaue schon lange kein fernsehen mehr, das wird immer schlimmer.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 24.11.10 um 06:01:16
Ich hatte die Verdummungslampe das letzte Mal zur Fußball-WM an.  :-X

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Grypho am 24.11.10 um 09:39:49
Gestern hab ich die Krönung des ganzen gesehen am Bahnhof in Nürnberg. Ein knapp 2 Meter hohes Plakat, dass für die ZDF-Serie "Die Deutschen 2" in Bildzeitungsmanier geworben hat:

Ruhrpottler, mitte 40, in Unterhemd und Trainingshose, Dreitagebart und dumm reinschauend.

Darunter der Satz: Wir Deutschen - Wer wir waren, wer wir sind.... ZDF-Mehr erleben.

Das bezeichnet ziemlich gut das Niveau von der Sendung.


Grypho

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 24.11.10 um 11:46:53
Es gibt Hoffnung...

"Die Säulen der Erde" schwächelt

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Jeanne de Beaumont am 24.11.10 um 12:04:38
Deprimierend ist, daß ich Dir sagen kann, woran das liegt. Nicht etwa die Ausstattung oder die unmittelalterliche Story haben die Leute von dem Filmgenuß abgeschreckt (ok, das hätte jetzt auch verwundert...  ;)), es dürfte das recht komplexe Personengefüge gewesen sein. Schon wenn man das Buch liest, besteht die größte Herausforderung darin, die unterschiedlichen Erzählstränge und die große Masse an Hauptfiguren zu bewältigen und auseinanderzudröseln.
Das dürfte im Film noch schwieriger werden, da nicht jede Figur ausgiebig erklärt werden kann. Dazu kommt ein schneller Schnitt und eine enge Folge voneinander zunächst unabhängiger Erzählsequenzen, die wild ineinandergeschnitten werden. Man muß schon hochkonzentriert der Geschichte folgen, um da noch alles verpacken zu können.
Wenn bei Dokus das Argument gelten soll, daß man dem Publikum nichts abverlangen darf (schon gar keine Denkleistung!), dann kann das Konzept doch auch bei einem komplexen Mehrteiler mit gefühlten 500 Hauptfiguren nicht aufgehen...   [smiley=cheesy.gif]

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Jeanne de Beaumont am 24.11.10 um 12:06:52
@ Grypho: Wahrscheinlich funktioniert dieses Konzept so auch nur im fernen Süden. Hier würde ein solches Plakat wohl eher abschrecken... Man könnte sich mit dem Klischee ja identifizieren  :o
Wahrscheinlich hängen die bei uns dann bayrische Trachtenträger auf...  :D

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Æthelweard am 24.11.10 um 17:24:57

Grypho_ schrieb am 24.11.10 um 09:39:49:
Ruhrpottler, mitte 40, in Unterhemd und Trainingshose, Dreitagebart und dumm reinschauend.

Darunter der Satz: Wir Deutschen - Wer wir waren, wer wir sind.... ZDF-Mehr erleben.

Das bezeichnet ziemlich gut das Niveau von der Sendung.


Grypho


Wir Deutschen - Wie konnte es so weit kommen...

wäre die bessere Unterschrift gewesen. :D

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Michael von Schweinspeunt am 25.11.10 um 10:33:52
Jaja die böse Sat1 "Reportage". ^^
Ich warte ja schon drauf, das Leute auf Veranstaltungen die Experimente nachstellen und feststellen, das Kette und Gambi eben NICHT ausreichend vor Pfeilbeschuss schützt.. -.-
Find das schon ziemlich unverantwortlich, solche Aussagen zu tätigen.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Æthelweard am 25.11.10 um 19:11:42
Doch, tun sie. Kommt halt drauf an, welche Kette und welcher Gambeson gegen welchen Pfeil, abgeschossen von welchem Bogen.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 25.11.10 um 19:33:18
...und auf welche Distanz.  ;)

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Michael von Schweinspeunt am 25.11.10 um 19:56:52
Naja es ging ja um englische Langbogenschützen, wenn ich mich recht erinnere. Und wie war die Zugkraft? Ich hab mal von um die 100 Pfund gelesen.. bei der Distanz, die die da demonstriert haben.. (~10 Meter oder so?) dürfte da ein Pfeil wohl ziemlich locker durchgehen...klar isses von den materialien abhängig..

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 25.11.10 um 20:15:07
Auch beim englischen Langbogen bleiben genügend Fragen offen. Die Zugkraft ist letztlich nicht erwiesen, da kein Originalfund in ausreichend intaktem Zustand ist, um ihn zu spannen und zu bedienen, so dass man die Zugkraft feststellen könnte. Die angenommenen Zugstärken beruhen auf Rekonstruktionen, die stimmen können oder auch nicht.  :-/

Die geringe Distanz in dem Test ist mir auch aufgefallen, weshalb ich das Ergebnis umso merkwürdiger fand. Ich hätte fest damit gerechnet, dass der Pfeil durch die Kette durchgeht, wurde aber eines Besseren belehrt, weshalb ich mir nicht recht vorstellen kann, dass der benutzte Bogen eine Zugkraft hatte, wie man sie allgemein für den englischen Langbogen annimmt.

Davon ganz ab, möchte ich zu bedenken geben, dass im Hochmittelalter jene, die sich einen Kettenpanzer leisten konnten, zumeist zu Pferd kämpften. Daher finde ich die ca. 10 Meter eine gewagt kurze Distanz. Stoppe ich mein Ziel nicht, befinde ich mich keine 3 Sekunden später recht wahrscheinlich am anderen Ende einer Lanze, was ganz sicher tötlich ausgeht. Wer schießt da noch?

Also den Test fand ich von vorn bis hinten unglaubwürdig. Da gibt es etliche, die vom ganzen Aufbau wesentlich sorgfältiger durchgeführt wurden.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Michael von Schweinspeunt am 25.11.10 um 20:19:58
Jap. Dazu kommt noch das kette und gambi in der konstruktion ja eher "lose aufgehangen" waren. dadurch natürlich nicht grad widerstand bieten, sondern schön zurückfedern konnten. ich denk wenn da ein mensch noch zusätzlich dringesteckt hätte säh das vielleicht schon ganz anders aus.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Æthelweard am 25.11.10 um 22:31:47
@ Michael

Tests haben nur dann eine wirkliche Aussagekraft, wenn sie auch korrekt durchgeführt werden. Das war weder bei dieser "Reportage" der Fall, noch trifft das auf die meisten Versuche zu, die man im Internet oder Fernesehen sieht.

Ich bin gewiss kein Fachmann, wenn es um Bögen oder allgemein um Waffentechnik geht, aber gewisse Dinge sollten jedem einleuchten. Zum Beispiel:

1. Anachronismen verfälschen so einen Test völlig. Zwar gibt es deutlich ältere Versionen, aber der typische Langbogen ist eine Waffe aus dem Hundertjährigen Krieg und hatte in dieser Epoche als Militärwaffe seine Blütezeit. Im Hundertjährigen Krieg waren Kettengeflecht und Gambeson als schwere Panzerung veraltet. Die zeitgenössische Rüstung der schwergepanzerten Truppen bestand aus gehärteten Eisenblechen von bis zu 2 mm Stärke (in Einzelfällen sogar mehr). Natürlich gab es auch billigere Exemplare, die weniger gut gehärtet oder weniger massiv waren. Aber solche Plattenpanzer schützten immer noch besser, als Kettengeflecht und Gambeson. Mußten sie auch, schließlich waren die Offensivwaffen der Zeit auch weiter entwickelt, als ihre Vorgänger. Zum Beispiel hatten Pfeile Spitzen aus gehärtetem Eisen. Wahrscheinlich befinden sich Offensiv- und Defensivbewaffnung seit der Erfindung des Krieges in einem permanenten Wettstreit. Es bringt also nichts, eine Waffentechnik aus dem 13. Jahrhundert (ca. 1285 mit Statute of Winchester Verbreitung des Langbogens) gegen eine Rüsttechnik zu testen, die es schon im 11. Jahrhundert gab.

2. Die verwendeten Materialien - sprich Waffen und Rüstungen - müssen korrekt sein. Das klingt vielleicht banal, ist es aber gewiss nicht, wie jeder weiß, der unser Hobby betreibt. Und genau daran hapert es zumeist. Das mag jetzt ein extremes Beispiel sein, aber mir ist mal ein Sportbogenschütze begegnet, der davon überzeugt war, daß seine Waffe Kettenpanzer durchschlagen kann, weil es ihm gelungen ist, Coladosen zu durchschießen. Die sind ja schließlich auch aus Metall. ::) Mit diesem Beispiel wird klar, wie lächerlich die meisten Versuche eigentlich sind, da der Versuchsaufbau einfach nicht stimmt. Bei Beschusstests auf Kette wird oft auf den dazugehörenden Gambeson verzichtet oder wenn vorhanden, dann handelt es sich um eine bessere Pferdedecke (Gambesons im Hundertjährigen Krieg bestanden nach meinen Infomationen aus bis zu 16 Lagen Leinen die übereinandergenäht und verleimt wurden). Das Kettengeflecht stammt dann meist aus dem LARP-Versand, der Ringdurchmesser stimmt nicht, die Drahtstärke stimmt nicht, damit sind die Nieten (falls überhaupt vorhanden) viel zu winzig und vom Metall wollen wir gar nicht erst reden. Diese Ringe biege ich mit 'nem Schraubenzieher auf. Das die keinem Beschuss stand halten, brauche ich gar nicht erst zu testen.

Das gleiche gilt natürlich auch für Waffe und Projektil. Das die Zugstärken von Bögen, die man oft im Internet lesen kann, bloß auf Messungen an Nachbauten zurück gehen, hat Geoffrey ja bereits geschrieben. Aber beim Bogenschießen spielen ja noch viel mehr Faktoren eine Rolle. Gewicht des Geschosses, Härtegrad der Pfeilspitze, Beschleunigung des Geschosses, seine Geschwindigkeit beim Auftreffen auf das Ziel...die Liste lässt sich noch um Einiges fortsetzen.

3. Zu den meisten Versuchen fehlen wichtige Daten. Entweder werden sie einfach nicht gemessen oder nicht veröffentlicht. Ich meine hier Daten wie z.B. Geschwindigkeit, Gewicht, Distanz, Aufschlagwinkel, Penetrationstiefe, usw. Wenn man diese Daten nicht heraus gibt, heißt das für mich, daß man sich nicht in die Karten schauen lässt. Der Tester kann also so lange an seinem Versuchsaufbau herum doktern, bis er ein Ergebnis erhält, das ihm passt und niemand kann es nachprüfen. Bei der "Reportage" habe ich den Verdacht, daß man beweisen wollte, wie gut die Rüstung schützt und den Versuch entsprechend aufgebaut hat. Erinnerst du dich, wie locker der Schütze seinen Bogen aus dem Arm gespannt hat? Dann schau dir bitte mal folgenden Link an.

http://www.youtube.com/watch?v=VEQfoKg8ZgQ

Dieser Mark Stratton sieht mir nicht gerade wie ein Schwächling aus und er spannt seinen Bogen mit dem ganzen Körper. Da kommt in mir der Verdacht auf, daß der Langbogen in der "Reportage" in die Kategorie Spielzeug gehört. Kann ich aber nicht nachweisen, da keinerlei Daten zum Versuchsaufbau bzw. den Testergebnissen genannt wurden.

Um mein Geschreibsel endlich zu einem Ende zu bringen: Wenn dich Beschusstests interessieren, gibt es zum Glück Besseres, als die üblichen Internetmythen und Fernsehdokus.

Wir hatten das Thema schon in unserem Forum:
www.furor-normannicus.de/cgi-bin/YaBB.pl?num=1275386182
Hier ein Link zum Versuch eines Amateurs, der gute Ansätze aufweist:
www.myarmoury.com/talk/viewtopic.php?t=11131&postdays=0&postorder=asc&sta...
Eine aufschlussreiche Diskussion zu dem Thema:
myArmoury.com - Arrows vs armour
Ein wenig nacktes Zahlenwerk:
A Commonplace Book: Armor vs. Muscle
Und schließlich ein Lesetipp:
Williams, Alan The Knight and the Blast Furnace: A History of the Metallurgy of Armour in the Middle Ages and Early Modern period History of Warfare, 12. Leiden: Brill, 2003 ISBN 90-04-12498-5.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Michael von Schweinspeunt am 26.11.10 um 10:09:28
Sehr geniale Links. Danke dafür.
Da bekommt man dann doch einen etwas besseren Eindruck von der Wirksamkeit von Kette und Gambi.

Werd mir die nun nochmal ganz in Ruhe zu gemüte führen.

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Eriol am 26.11.10 um 20:05:16
ich könnte heulen! gestern war meine mutter zu besuch.
sie erklärte aus tiefster überzeugung, das im mittelalter das fleisch immer extrem gewürzt werden musste, um den verwesungs-geschmack zu überdecken.
waaaaaa!!!   :o
meine eigene mutter!!!  :'(

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Geoffrey am 26.11.10 um 20:08:05
Es sei dir versichert,Eriol, wir fühlen mit ganzem Herzen mit dir.  :)

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 27.11.10 um 21:49:31
Na klar, wenn die Leute Haus und Hof für die teuren Gewürze verkauft hatten, konnten sie sich nur noch Gammelfleisch leisten...  :P

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Jeanne de Beaumont am 14.02.13 um 15:04:24
Bisher hatte ich eine ziemlich hohe Meinung von "Planet Wissen" - Umpfangreiches Themen Repertoire, gute Recherchen, Expertenbefragung und differenzierte Betrachtungsweise.

Seit gestern befürchte ich allerdings, dass das neue Konzept der Sendung nicht nur neue Moderatoren und ein hyper-modern gesyltes Studio beinhalten, sondern auch einen rapiden Abfall der Qualität.

Viel Spaß bei "Ritter - so werde ich ein Held in Eisen" vom 13.02.2013

http://www.planet-wissen.de/sendungen/2013/02/13_ritter.jsp

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 02.06.14 um 12:39:43
Ein schöner Rant der FAZ über unsägliche Tv-Dokus:


Zitat:
Geschichte für Trottel

Hitlers Hunde und Stalin in Farbe - die Art, in der öffentlich-rechtlich Historie verbreitet wird, ist ein Skandal. Der Zuschauer wird für dumm gehalten.

Es vergeht keine Woche im deutschen Fernsehbetrieb ohne eine historische Dokumentation, die verspricht, das letzte Geheimnis zu lüften. War Hitler schwul? Oder war er in Wahrheit in seinen Hund verliebt? Die Infantilisierung des Zuschauers kennt keine Grenzen. Er wird nicht nur für dumm verkauft, er wird auch für dumm gehalten. Deshalb erzählt man ihm nur, was man ihm zumuten zu können glaubt. „History-TV“ gibt es nur, weil jene, die Dokumentarfilme produzieren, glauben, dass intelligente Menschen nicht fernsehen.

Wie sonst ließe sich erklären, dass gegen die Zurschaustellung des Unwissens niemand einschreitet? Das Drehbuch solcher Dokumentationen folgt immer dem gleichen Muster. Man sieht Filmsequenzen, die ohne Sinn und Verstand zusammengeschnitten wurden, hört die Stimme des Kommentators, die einem geschilderten Ereignis Dramatik verleihen soll, und für die schlichten Gemüter unter den Zuschauern wird Musik eingespielt, die die Bedeutung des Gesagten und Gezeigten unterstreicht.

(...)

Fast alles, was über Ereignisse und Personen in dieser Dokumentation gesagt wird, ist falsch. Aus Stalins Geheimdienstchef Nikolai Jeschow wird „Nikolai Leschow“, aus Generalfeldmarschall Paulus - General von Paulus, aus Stalins Sekretär Poskrjobyschew - Poskrebischew. Unablässig spricht der Kommentator von Russland und den Russen. Der Zweite Weltkrieg sei ein Krieg der Russen gewesen. Haben die Dokumentarfilmer jemals davon gehört, dass die Sowjetunion ein Vielvölkerreich, Stalin ein Georgier, Trotzki ein Jude und Mikojan ein Armenier war? Dass Hunderttausende ihr Leben lassen mussten, die keine Russen waren?

Am Ende sieht man Stalin im offenen Sarg liegen. Die Stimme des Kommentators teilt mit, die Leiche sei im Mausoleum auf dem Roten Platz aufgebahrt worden. Aber sie wurde nicht im Mausoleum, sondern im Säulensaal des Gewerkschaftshauses ausgestellt. Weiß überhaupt noch jemand, was eine Recherche ist? Man hätte in diesem Fall nichts weiter tun müssen, als nachzuschlagen, und in weniger als fünf Minuten hätten alle faktischen Fehler behoben werden können.

Aber wer interessiert sich noch für Fakten, wenn es doch nur darum geht, den Zuschauer mit bunten Bildern zu unterhalten! Nun könnte man einwenden, solche Informationen seien Nebensache, weil sie zur Erklärung nichts beitragen. Mag sein. Aber dieser lieblos zusammengeschnittene Film erklärt nichts, er erhellt nichts. Er ist stümperhafte Desinformation.


Ganzer Artikel hier
Geschichte für Trottel

Titel: Re: Historien-TV und der Zuschauer
Beitrag von Ares Hjaldar de Borg am 23.12.14 um 10:00:56
Ein ganz interessanter Bericht der Süddeutschen:



Zitat:
Gesendete Geschichte

Von Nazizeit bis Mauerfall: Fiktional aufbereitete Zeitgeschichte erzielt im deutschen Fernsehen hohe Zuschauerzahlen. Warum eigentlich? Auf Spurensuche mit einem Produzenten, einem Regisseur und einem Medienpsychologen.

"Ich schau halt nicht mehr so viel fern wie früher. Und wenn doch, dann schau ich mir Sachen an, wo ich sagen kann: Da profitiere ich! Geschichte zu Beispiel, das schaue ich mir an, da lernst du was, das ist interessant. Ich habe ja lange wirklich nicht gewusst, wie weit Geschichte zurückgeht."

Dieser Passus, freilich etwas verknappt und ins Hochdeutsche übersetzt, entstammt einer großartigen Nummer des Kabarettisten Gerhard Polt. Wenngleich der damit auf das große Ganze hinauswill, so trifft seine Aussage auch ganz konkret auf den deutschen Fernsehzuschauer zu: Fiktional aufbereitete Zeitgeschichte interessiert das Publikum. Filme über historische Ereignisse sorgen verlässlich für hohe Quoten und dementsprechend Freude bei den Sendeanstalten.

Viele große TV-Projekte der vergangenen Jahre haben genau dieses Bedürfnis der Zuseher bedient. Der Weltkriegsmehrteiler Unsere Mütter, unsere Väter war 2013 aller Kritik zum Trotz ein Publikumsmagnet, in jüngster Vergangenheit feierte Regisseur Christian Schwochow mit der Mauerfallkomödie Bornholmer Straße einen Erfolg, der ZDF-Film Das Zeugenhaus über die Nachkriegsprozesse 1946 lockte an einem Montagabend mehr Zuschauer vor die TV-Geräte als in der Woche zuvor auf demselben Sendeplatz ein Film aus der beliebten Reihe Spreewaldkrimi.

Das Gros der Deutschen hat im schulischen Geschichtsunterricht lieber kleine Zettelchen mit allerlei unterrichtsfernen Botschaften verfasst als des Lehrers Ausführungen zu folgen, ist aber mit Interesse bei der Sache, sobald das Ganze in bunten Bildern aufbereitet vom heimischen Sofa aus zu konsumieren ist. Woran liegt das?

(...)


Ganzer Artikel

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